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6. Juni 1944 | 6. Juni 2024

Stummes Mahnmal: Wehrmachts-Bunker bei Villers-sur-Mer in der Normandie

Stummes Mahnmal: Wehrmachts-Bunker bei Villers-sur-Mer in der Normandie

6. Juni 1944

Am 8. Mai 1944 setzte der alliierte Oberkommandierende des Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force (SHAEF), General Dwight D. Eisenhower, den D-Day auf den 5. Juni 1944 fest. Nachdem am 4. Juni für den nächsten Tag schlechtes Wetter vorhergesagt wurde, verschob Eisenhower den Termin auf den 6. Juni. (Quelle: Wikipedia).

Der Tagesbefehl, den General Eisenhower für den 6. Juni 1944 herausgab, ist online im National Archive der USA einsehbar. Der Originaltext lautet:

Soldiers, Sailors, and Airmen of the Allied Expeditionary Force!

You are about to embark upon the Great Crusade, toward which we have striven these many months. The eyes of the world are upon you. The hope and prayers of liberty-loving people everywhere march with you. In company with our brave Allies and brothers-in-arms on other Fronts, you will bring about the destruction of the German war machine, the elimination of Nazi tyranny over the oppressed peoples of Europe, and security for ourselves in a free world.

Your task will not be an easy one. Your enemy is well trained, well equipped and battle-hardened. He will fight savagely.

But this is the year 1944! Much has happened since the Nazi triumphs of 1940-41. The United Nations have inflicted upon the Germans great defeats, in open battle, man-to-man. Our air offensive has seriously reduced their strength in the air and their capacity to wage war on the ground. Our Home Fronts have given us an overwhelming superiority in weapons and munitions of war, and placed at our disposal great reserves of trained fighting men. The tide has turned! The free men of the world are marching together to Victory!

I have full confidence in your courage, devotion to duty and skill in battle. We will accept nothing less than full Victory!

Good luck! And let us beseech the blessing of Almighty God upon this great and noble undertaking.

Der Preis, den die alliierten Streitkräfte für die Freiheit Europas bezahlten, war gewaltig. Allein in der Normandie starben am D-Day mehr als 4000 alliierte Soldaten; manche Quellen sprechen von 6000 Gefallenen. Auf deutscher Seite fielen 4000 bis 9000 Soldaten, viele davon noch halbe Kinder.

Amerikanischer Soldatenfriedhof in Colleville-sur-Mer oberhalb Omaha Beach

Amerikanischer Soldatenfriedhof in Colleville-sur-Mer oberhalb Omaha Beach

6. Juni 2024

Gestern, am 6. Juni 2024, begannen in Europa die Europawahlen in den Niederlanden. Die meisten der 27 EU-Mitglieder, auch Deutschland, wählen am Sonntag, den 9. Juni 2024. Die Frauen und Männer, die im 2. Weltkrieg ihr Leben für die Befreiung Europas von den Nazis geopfert haben, würden sich im Grab umdrehen, wüssten sie, wie viele Menschen im Jahr 2024 wieder an den Lippen autoritärer, faschistischer Politikerinnen und Politiker hängen, die nationalistische Lösungen für die komplexen Probleme einer globalisierten Welt verspechen. Wir wissen alle, das das nicht funktioniert.

Geben wir dieses Europa, so viele Mängel es auch haben mag, nicht in die Hände von unverantwortlichen, autoritären Populisten!

NK | CK

Buchinformation

Antony Beevor
D-Day. Die Schlacht um die Normandie
Paperback , Klappenbroschur, 640 Seiten
ISBN: 978-3-570-55146-2
Pantheon Verlag, 2011

Eine erste Übersicht über den D-Day bietet der Deutschlandfunk hier

Die stratetisch extrem wichtige Pegasus Bridge bei Bénouville wurde von der britischen 6. Airborne Division erobert

Die stratetisch wichtige Pegasus Bridge bei Bénouville wurde von der britischen 6. Airborne Division erobert

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Seerose, Frosch, kein Monet

Ob sich die Frösche in Giverny von Monet übergangen fühlten?

Ob sich die Frösche in Giverny von Monet übergangen fühlten?

Im alten Teich
eine Seerose und ein Frosch –
kein Monet

So ist das mit den visuellen Schubladen: kaum steht man vor einem Teich mit Seerosen, denkt man an Monet und Giverny – und übersieht dabei fast den Frosch, der ganz still den Augenblick zu genießen scheint.

Wir sollten uns ein Beispiel am Frosch nehmen!

NK | CK

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Europa wählen, Vielfalt wählen

Europa war, so die Griechen, eine phönizische Königstochter, die Zeus in Stiergestalt nach Kreta entführte.

Europa war, so die Griechen, eine phönizische Königstochter, die Zeus in Stiergestalt nach Kreta entführte.

450 Millionen Menschen, 27 Staaten

Vom 6. bis 9. Juni dürfen 350 Millionen Bürgerinnen und Bürger Europas das zehnte Europaparlament wählen, in allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahl. Da in Deutschland traditionell an einem Sonntag gewählt wird, findet die Europawahl hierzulande am Sonntag, den 9. Juni statt. Das ist nicht mehr lange hin.

Höchste Zeit, noch zwei Bücher zum Thema Europa zu empfehlen. Warum? Weil es aktuell auch in Deutschland jede Menge rückwärts gewandter Nationalisten, Faschisten oder Ignoranten gibt, die dieses Europa am liebsten in Schutt und Asche legen würden. Für diese Europagegner ist „Brüssel“ für so ziemlich alles verantwortlich, was in ihrem eigenen Leben schief läuft.

Robert Menasse: „Die Welt von Morgen“

Keine Frage, in Europa liegt manches im Argen, und leider hat sich Europa in einigen Bereichen ziemlich von der ursprünglichen Idee entfernt. Das meint der österreichische Schriftsteller und bekennende Europäer Robert Menasse. „Die Welt von Morgen. Ein souveränes, demokratisches Europa – und seine Feinde“ heißt seine Streitschrift, in der er mit Humor und Sachverstand benennt, was schlecht läuft in Europa und gleichzeitig leidenschaftlich dafür plädiert, dass wir endlich an einem postnationalen, gerechten Europa weiterbauen. Denn:

„Europäische Nationen sind bewusst (!) und planvoll (!!) in einen nachnationalen (!!!) Prozess eingetreten. Und das nicht, weil ein paar Politiker zufällig mit einem Schnapshändler zusammengesessen hatten und gerade so bei Laune waren.“

Für Menasse ist klar, das die Gründergeneration Europas mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957 zur Schaffung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) die Lehren aus der eigenen Lebenserfahrung gezogen hatte: Konflikte, Kriege, Katastrophen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bis zum 2. Weltkrieg.

„Der Nationalismus hatte zu den größten Menschheitsverbrechen geführt und Europa verwüstet.“

Dieser Nationalismus, der heute in jeder Sitzung des EU-Rats der Regierungschefinnen und -chefs der 27 Mitgliedsstaaten mal mehr mal weniger stark zum Ausdruck kommt, ist für Menasse eines der zentralen Grundübel. In 38 unterschiedlich langen Kapiteln setzt er sich mit diesem gefährlichen Nationalismus auseinander und zeigt schlüssig auf, dass autokratische Nationalisten wie der Ungar Orbàn in einer eng verzahnten Welt niemals halten könnten, was sie ihren Bürgern zuhause versprechen: Sicherheit und Wohlstand in einem ethnisch reinen Territorium. Das einzige, was diese Politiker können, ist, virtuos mit den Ängsten und der Wut der Menschen spielen und diese für ihren eigenen Machterhalt instrumentalisieren. Und ganz nebenbei nimmt man natürlich aus Brüssel an Geldern mit, was man kriegen kann.

Kein einziges der großen anstehenden Probleme (Klimawandel, Verteidigung, Migration) so der Autor, könne national gelöst werden werden. Wer das verspricht, so Menasse kürzlich in einem Interview im DLF sei entwender saudumm oder ein böser Zyniker.

Die Zukunft ist nachnational

Für den Österreicher ist klar, dass die Zukunft Europas nur ein „supranationales“ oder „nachnationales“ Projekt sein kann. Warum das so ist, und was sich am jetzigen Europa ändern muss, das beleuchtet er auf knapp 200 Seiten. Dabei nimmt er immer wieder Bezug auf historische Entwicklungen und spart nicht mit Kritik. Er beklagt etwa, dass die EU-Kommission faktisch vom EU-Rat (die meist national argumentierenden 27 Staats- und Regierungschefs) entmachtet und degradiert wurde. Eine Tatsache, die im übrigen nicht von den EU-Verträgen gedeckt ist.

Was die Zukunft Europas angeht, appelliert Menasse an unsere Phantasie und die Fähigkeit, aus der Geschichte zu lernen. Regionen und deren Vielfalt stehen für Menasse grundsätzlich vor Nationen.

„Dass supranationale oder nachnationale Staatlichkeit funktionieren kann, bewies ja der kulturelle und geistige Reichtum, den das historische Mitteleuropa hervorgebracht hat, und das beweist heute in Ansätzen wieder die Europäische Union.“

Diese kluge, lesenswerte Buch kommt – hoffentlich noch – rechtzeitig, bevor die Nationalisten und Populisten dieses Europa endgültig zerstört haben. Der Autor selbst zeigt sich trotz aller Ernüchterung und mitunter Verzweiflung angesichts der Misstände und Probleme Europas optimistisch. Wenn es denn gelänge, endlich eine Demokratie zu schaffen, die mehr ist „als Wählengehen auf der Basis national definierten Stimmrechts“. Menasse beruft sich auf Hans Kelsen, einen der bedeutendsten Rechtswissenschaftler des 20. Jahrhunderts, wenn er am Ende seines Buches fordert:

„Wir müssen es zulassen, dass die Menschen in Europa zu einem demos werden, in einer gemeinsamen europäischen Demokratie, in einem gemeinsamen Rechtszustand auf der Basis der Menschenrechte, gleicher Rahmenbedingungen und Chancen für alle, die in Europa leben und ihr Glück zu machen versuchen. Darum geht es: Einheit in Vielfalt. Es wäre zu Jedermanns Nutzen.“

Klingt alles utopisch? Mag sein, aber hätten die Unterzeichner der Römischen Verträge 1957 nicht die Vision eines geeinten Europas gehabt, wären sie gar nicht erst nach Rom gefahren – und wir würden am 9. Juni wahrscheinlich kein EU-Parlament wählen dürfen.

Milan Kundera: „Der entführte Westen“

Robert Menasse hebt in seinem Buch ausdrücklich das historische Mitteleuropa und dessen kulturellen und geistigen Reichtum hervor. Neben anderen Autoren, die dazu Kluges geschrieben haben, erwähnt er explizit Milan Kunderas Essay „Der entführte Westen“, den der gebürtige Tschechoslowake 1983 im französischen Exil verfasst hat.

Der Kampa-Verlag hat diesen Essay jetzt als Buch herausgebracht und gleich noch einen zweiten Aufsatz von Kundera aus dem Jahr 1967 dazu gepackt: „Die Literatur und die kleinen Nationen“.

Liest man heute „Der entführte Westen“ springt einen die Aktualität dieser 40 Seiten förmlich an. Kundera beschreibt 1983 (!), wie der Westen die Länder Mitteleuropas (v.a. Polen, Ungarn, Tschechoslowakei) sehenden Auges der Einflusssphäre der Sowjetunion überlassen hat. Politisch und kulturell wurde diese Region für Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg „Fly-over-Country“. Man konzentrierte sich auf Moskau, fühlte sich Russland und der undefiniertbaren russischen Seele verbunden (für Kundera eine „Lächerlichkeit“) und freute sich bis zum Februar 2022 über billiges Gas und Öl.

Westliche Gleichgültigkeit

Kundera, der bis 1975 in der Tschechoslowakei lebte und dann nach Frankreich emigrierte, kritisiert die gleichgültige Ignoranz des Westens scharf und beschreibt mit klaren Worten, was mit der Zerstörung der mitteleuropäischen Kultur durch die Sowjetunion verloren ging – für die Menschen Mitteleuropas, aber auch für den Westen.

Der Volksaufstand und das Massaker 1956 in Ungarn, der Prager Frühling und die sowjetische Besetzung der Tschechoslowakei 1968, die polnischen Aufstände 1956, 1968 und 1970 und die Streiks in den 1980ern waren Tragödien für die jeweilige Bevölkerung. Leider wollte man im Westen nicht sehen, dass die Menschen in diesen Ländern in der Mehrheit nicht russifiziert werden wollten. Denn sie fühlten sich Europa zugehörig und nicht der Sowjetunion. So wie sich die Ukrainerinnen und Ukrainer heute dem Westen zugehörig fühlen und auf keinen Fall wieder Teil der russischen Einflusssphäre sein wollen.

„Deshalb empfindet jenes Europa, das ich Mitteleuropa nenne, die Veränderung seines Schicksals nach 1945 nicht nur als politische Katastrophe, sondern als Infragestellung seiner Zivilisation. Der tiefere Sinn seines Widerstands ist die Verteidigung seiner Identität; oder anders ausgedrückt: Es ist die Verteidigung seiner Zugehörigkeit zum Westen.“

Dies schreibt Milan Kundera 1983 im Pariser Exil. Es fällt schwer, bei diesen Worten nicht an die Ukraine zu denken, die in seinem Essay auch erwähnt wird:

„Die Ukraine, eine der großen europäischen Nationen (…) ist im Begriff, langsam zu verschwinden. Und dieser ungeheuerliche, nahezu unglaubliche Vorgang vollzieht sich, ohne das die Welt es bemerkt.“

Liest man Menasses Buch und das von Kundera zusammen, wird deutlich, dass wir die kulturelle und ethnische Vielfalt Europas in seinen vielen Regionen als Bereicherung und Stärke sehen sollten. Und klar wird auch, dass die Ukraine als Land Mitteleuropas den Kampf um Unabhängigkeit und Freiheit nicht verlieren darf.

NK | CK

Buchinformation

Robert Menasse
Die Welt von Morgen. Ein souveränes, demokratisches Europa – und seine Feinde.
Suhrkamp Verlag, 2024
ISBN: 978 3 518 43165 8

Milan Kundera
Der entführte Wesen. Die Tragödie Mitteleuropas
Kampa Verlag, 2023
ISBN 978 3 311 10120 8

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„Unissued Diplomas“ – Ausstellung in Tübingen

Dmytro Yevdokymov, 23, hat Amerikanistik und Europastudien studiert und fiel bei Charkiw

Dmytro Yevdokymov, 23, studierte Amerikanistik und Europastudien. Er fiel bei Charkiw. © Unissued Diplomas

Unissued Diplomas: Diplome, die nie überreicht werden

Am 23. April 2024 wurde in in der Tübinger Universitätsbibliothek eine ebenso beeindruckende wie bedrückende Ausstellung eröffnet: „Unissued Diplomas“. Zu sehen sind 40 großformatige Portraitsfotos ukrainischer junger Menschen: Studentinnen und Studenten, Schüler und Schülerinnen und Auszubildende. Sie alle vereint die Tatsache, dass sie ihre Abschlusszeugnisse nie werden entgegennehmen können – weil sie im russischen Angriffskrieg gestorben sind. Die jeweilige Geschichte der einzelnen Personen wird in zweisprachigen Textblöcken neben den Fotos erzählt.

Es sind die unterschiedlichsten Schicksale von jungen Frauen und Männern, die hier gezeigt werden und den Betrachter erschüttern. Die Ukrainerin Anna Bordunova, die bis Kriegsbeginn in Charkiw studiert hat und jetzt in Tübingen die Universität besucht, hat in einem bewegenden Vortrag anlässlich der Vernissage geschildert, wie das ist, wenn sich plötzlich das ganze Leben als Studentin ändert. Wenn Hörsäle zu Schutzräumen werden, wenn Dozenten via Zoom unter Beschuss unterrichten, wenn Bibliotheken, Seminarräume, Labore, Mensen von russischen Raketen in Schutt und Asche gelegt werden. Man kann es sich im sicheren Tübingen nicht vorstellen.

Yevheniia Babakova 20, studierte Pharmazie und wurde am 9. März 2022 in Mariupol bei einem russischen Angriff getötet

Yevheniia Babakova 20, studierte Pharmazie und wurde am 9. März 2022 in Mariupol bei einem russischen Angriff getötet. @ Unissued Diplomas

Preis der Freiheit

Das Konzept zur Ausstellung „Unissued Diplomas“ wurde 2023 in Kanada ins Leben gerufen. Ziel ist es, die Welt an den Preis zu erinnern, den die Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrem Kampf für die Freiheit bezahlen. Die Ausstellung, so die Veranstalter,

„ehrt das Andenken an die ukrainischen Studierenden, die nie ihren Abschluss machen werden, weil sie ihr Leben durch den russischen Angriffskrieg verloren haben.“

In Tübingen wurde die Ausstellung „Unissued Diplomas“ von Team um Marichka Nadverniuk, der Tübinger Freiwilligenorganisation SonnenBlau, vom Ukrainischen Verein Tübingens sowie von der Universitätsbibliothek, dem Slavischen Seminar und dem Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde organisiert.

Die Ausstellung befindet sich im Foyer der Universitätsbibliothek in der Wilhelmsstraße 32 und kann dort während der Öffnungszeiten besichtigt werden. Die Ausstellung ist noch bis 29. Mai 2024 zu sehen.

Weitere Informationen über die Ausstellung und das Konzept gibt es auf Deutsch hier.

NK | CK

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Frühlingsfest in der Staudengärtnerei

Seit Ende April stehen unsere Päonien in den Startlöchern

Seit Ende April stehen unsere Päonien in den Startlöchern

Geduld!
Bald blüht sie dick und fett und rund,
die Päonie

Kranō

Dick und fett und rund
und zufrieden sieht sie aus,
die Päonie!

Kobayashi Issa

Die Pfingstrosen (Paonia) bilden mit 32 Arten die Familie der PfingstrosengewächseNach der Pflaumen- und der Kirschblüte steht die Blüte der Päonie in Japan, aber auch in China ganz hoch im Kurs. Klar, dass ihr auch Haiku gewidmet sind. Die Pfingstrosen (Paonia) bilden mit 32 Arten die Familie der Pfingstrosengewächse, die wir meist als Stauden sehen, die unglaublich „dick und fett und rund“ blühen, wie Issa völlig korrekt dichtet. Meistens werden die Blütenköpfe so schwer, dass sie sich nicht halten können. Und wehe ein Platzregen sucht zur Päonienblüte den Garten heim, dann sieht die Staude gleich arg zerzaust aus.

Frühlingsfest im Staudenparadies: 11./12. Mai 2024

Verschiedene Pfingstrosen hat auch die reizende, sehr englisch anmutende Staudengärtnerei von Erika Jantzen im Angebot. Seit 1990 ist diese besondere Tübinger Gärtnerei ein verführerisches Paradies für Hobbygärtnerinnen und -gärtner.

Herbstastern sind eine Pracht und im Spätsommer auch bei Bienen überaus beliebt

Herbstastern sind eine Pracht und im Spätsommer auch bei Bienen überaus beliebt

Es ist praktisch unmöglich, dort im Ammertal am Ortsausgang von Tübingen unter den rund 1000 Staudenarten und -sorten oder den zahlreichen Clematis-Stauden oder den vielen Kräutern nicht fündig zu werden. Unsere Erfahrung ist die: man geht da hin mit dem festen Vorsatz, nur mal zu schauen und kommt mit mindestens einem Karton Pflanzen heim. So geht einem die Arbeit im Garten nie aus.

Nächstes Wochenende ist es wieder so weit. Erika Jantzen und ihre kundigen Kolleginnen öffnen die Pforten zum „Frühlingsfest“. Am Samstag, den 11. und Sonntag, den 12. Mai, jeweils von 10.00 bis 17.00 Uhr wird jede Menge geboten: Pflanzen natürlich (Kräuter, Stauden, Kletterkünstler) aber auch: Körbe, altes Werkzeug, Vorträge, Gypsy-Swing, Leckeres vom Gartencafé. Alle Infos zum Frühlingsfest hier

Garten-Postkarten

Nr. 7 · Unkraut jäten macht auch Virginia Woolf glücklich | © Schöne Postkarten

Nr. 7 · „Den ganzen Tag Unkraut gejätet …“ Virginia Woolf | © Schöne Postkarten

Und wenn die Wetter-Götter gnädig sind und keine Stürme durchs Ammertal jagen, wird es dieses Jahr in der Gärtnerei auch wieder einen kleinen Stand mit Schönen Postkarten, Postkarten-Kunsthandwerk und anderen besonderen Druckprodukten geben:

Für ganz besondere Briefe: Unikat-Klappkarte mit Aquarell und Sammlermarke

Für ganz besondere Briefe: Unikat-Kunstkarte mit Aquarell und Sammlermarke

Schöner kann man kaum eine Botschaft verfassen. Unikat-Kunstkarte

Schöner kann man kaum eine Botschaft verfassen. Unikat-Kunstkarte

Jeden Tag eine Überraschung: 48 Fotos auf zwei Ebenen mit 24 Haiku

Im Wald durch das Jahr. Jeden Tag eine Überraschung: 48 Fotos auf zwei Ebenen mit 24 Haiku

Wir freuen uns!

NK | CK

PS: Dass selbst der kleinste Balkongarten nicht nur viel Freude bringt, sondern auch richtig Arbeit macht, wusste übrigens schon Rudyard Kipling, Autor des Klassikers „Das Dschungelbuch“.

Nr. 240 · Schrebergarten, Fahrrad, Sommer, Kipling: Gardens are not made by singing | © Schöne Postkarten

Nr. 240 · „Gardens are not made by singing“ Rudyard Kipling | © Schöne Postkarten

Durch das Gartenjahr 2 Mal 24 Fotos für Gartenliebhaberinnen

Im Garten durch das Jahr.  2 Mal 24 Fotos für Gartenliebhaberinnen mit dazu passenden Haiku.

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Einwanderer eröffnen Läden – und unsere Horizonte

Wie viel ärmerer wäre Deutschland ohne die zahllosen Läden von Menschen mit Migrationshintergrund

Wie viel ärmer wäre Deutschland ohne die zahllosen Läden von Mitbürgern mit Migrationshintergrund

Kaum hat der britische Premierminister Rishi Sunak „Ruanda“ zum Zauberwort für die Lösung aller Migrationsprobleme erklärt, entdeckt auch die bei gerade mal 4 Prozent dahin dümpelnde FDP ihre Liebe zu dem ostafrikanischen Binnenland und fordert einen Ruanda-Pakt. Das ist ebenso einfallslos wie populistisch. Aber Migranten eignen sich einfach gut als Sündenböcke für alles, was schief läuft. Dies gilt vor allem in aufgeheizten Wahlkampfzeiten, wie wir sie gerade erleben.

Immigrants Open Shops

Dass Zuwanderung aber auch eine Bereichung sein kann, weiß jeder, der regelmäßig im Asienladen, im türkischen Supermarkt oder beim Griechen um die Ecke einkauft, um hier mal nur drei Beispiele zu nennen. Das Gedicht „Immigrants Open Shops“ des irischen Dichters Pat Boran bringt das unmissverständlich zum Ausdruck. Und weil Pat Boran nicht nur ein vielfach ausgezeichneter Dichter ist, sondern auch sehr schöne poetische Kurzfilme macht, empfehlen wir heute einen Film, der zahlreiche Preise gewonnen hat. Pat Boran liest selbst. Die Untertitel kann man in den Youtube-Einstellungen auswählen.

Pat Boran, geboren 1963 in den irischen Midlands, lebt seit vielen Jahren in Dublin und hat mehr als ein Dutzend Bücher veröffentlicht: Gedichtbände, Kurzgeschichten und ein Creative-Writing-Handbuch. Aktuell ist er Herausgeber und Verleger des renommierten irischen Verlags Dedalus Press.

In der Erklärung zu seinem Fiilm schreibt Pat Bonan:

„Ungeachtet der Bedenken, die von manchen Gruppen geäußert werden, bringt Zuwanderung viele Vorteile für die Gesellschaft des Aufnahmelandes mit sich – neue Energie, neue Talente und neue Perspektiven, die unser gemeinsames Verständnis der Welt und dessen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, erweitern. Der Titel dieses Kurzfilms geht auf eine Beobachtung zurück, die ein Freund des Filmemachers, der verstorbene irakische Dichter Sargon Boulus, gemacht hat – eine Beobachtung, die eine grundlegende Wahrheit des Handels und der Weltgeschichte einfängt: Einwanderer eröffnen Geschäfte.“

Freundlicherweise hat Pat Bonan mir den Originaltext seines Gedichts zur Verfügung gestellt. Für alle, die das Gedicht nachlesen wollen:

Immigrants Open Shops

i.m. Sargon Boulus, Iraqi poet (1944 – 2007)

Immigrants open shops, Sargon says.
In countries where they take in refugees,
that’s what they do, they open shops.
To sell something, there’s no real need to speak;

someone enters, points at ‘this and that’
or finds what he wants on a shelf,
and all you need is half a dozen words
to serve him, ‘yes’, ‘no’, ‘seven’, ‘Euros’, ‘ten’—

he’s counting fingers—words a fool can master
in a morning, could be singing in two days,
and maybe ‘thank you’, or ‘see you tomorrow’.
Immigrants, they open shops, Sargon says.

Immigrants open shops, Sargon says,
a teenaged girl perched high on a stool
happy to try the few new words she’s learned
after her first week in the local school.

But when they pass through the bead curtains
into the back room, when they step back from the till,
or when friends or family drop by for a taste
of the old country, it’s the old language still:

a newspaper lying open on a table,
the TV always on on the high shelf
making the drunk who stumbles in by accident
wonder if he’s the immigrant here himself.

Immigrants open shops, Sargon says,
eight years ago already, hard to believe,
the troops back then still gathering on the border
of the homeland he hadn’t seen in twenty years.

“One for the road?” he asks. I shrug: “Why not?
As my mother says, we’ll be a long time dead.”
Sargon smiles: “I’ll remember that, my friend,”
but he’s far away this evening, lost in himself,

gazing out into our tidy garden
through his pale reflection in the glass,
a nervous shopkeeper as night approaches
hearing ominous voices in the dark.

Pat Bonan. aus: „A Man Is Only As Good … – selected Poems“

Einwanderer öffnen Läden

zur Erinnerung an Sargon Boulus, irakischer Dichter (1944 – 2007)

Einwanderer öffnen Läden, sagt Sargon.
In Ländern, in denen sie Flüchtlinge aufnehmen,
machen sie genau das, sie öffnen Läden.
Um etwas zu verkaufen, muss man nicht wirklich sprechen;

jemand kommt herein, zeigt auf ‚dies und das‘
oder findet in einem Regal, was er will,
und alles, was man braucht, ist ein halbes Dutzend Worte
um ihn zu bedienen: ‚ja‘, ’nein‘, ’sieben‘, ‚Euro‘, ‚zehn‘ –

er zählt mit den Fingern – Wörter, die ein Narr lernt
an einem Morgen, könnte in zwei Tagen singen,
und vielleicht ‚danke‘, oder ‚bis morgen‘.
Einwanderer öffnen Läden, sagt Sargon.

Einwanderer öffnen Läden, sagt Sargon,
ein Mädchen, ein Teenager, hockt auf einem hohen Hocker,
und freut sich, die wenigen neuen Wörter auszuprobieren,
nach ihrer ersten Woche in der örtlichen Schule.

Aber wenn sie durch die Perlenvorhänge
ins Hinterzimmer gehen, wenn sie von der Kasse zurücktreten,
oder wenn Freunde oder Familie vorbeikommen, um den Geschmack
des alten Landes zu kosten, ist es immer noch die alte Sprache:

eine Zeitung liegt aufgeschlagen auf dem Tisch,
der Fernseher immer auf dem hohen Regal
so dass der Betrunkene, der zufällig hereinkommt
sich fragt, ob er selbst der Einwanderer hier ist.

Einwanderer machen Läden auf, sagt Sargon,
schon vor acht Jahren, kaum zu glauben,
die Truppen versammelten sich damals noch an der Grenze
des Heimatlandes, das er seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte.

„Einer für den Weg?“, fragt er. Ich zucke mit den Schultern: „Warum nicht?
Wie meine Mutter sagt, wir werden noch lange tot sein.“
Sargon lächelt: „Das werde ich mir merken, mein Freund.“
aber er ist heute Abend weit weg, in sich selbst versunken,

und blickt in unseren aufgeräumten Garten
durch sein blasses Spiegelbild im Fenster,
ein nervöser Ladenbesitzer, wenn die Nacht naht,
der in der Dunkelheit unheilvolle Stimmen hört.

With kind permission of the author. Translation with Deepl.com

Wenn ihr das nächste Mal im türkischen oder arabischen oder italienischen oder asiatischen Laden einkauft, denkt an Pat Boran: „Immigrants Open Shops“.

NK | CK

Buchinformation

Pat Boran
A Man Is Only As Good
160 Seiten, Paperback
ISBN 9780993172618
Dedalus Press, Dublin

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Freitagsfoto: Veilchen

Das Duftveilchen (Viola Odorata) gehört zu den Veilchengewächsen. Und das Pflücken lassen wir heute schön bleiben.

Anschauen, fotografieren, aber nicht pflücken! Duftveilchen (Viola Odorata)

Ein Veilchen pflücken,
Ach, den so winzig kleinen
Gedanken des Frühlings

Katō Kyōtai (1732 – 1792)

Nachdem wir uns in den letzten kalten Tagen nurmehr mit Gedanken an den Frühling trösten konnten, versprechen die Wettergötter Besserung. Wie angenehm!

NK | CK

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20 Tage Hölle: „20 Tage in Mariupol“

Taras Schewtschenko, ukrainischer Maler und Nationaldichter auf einer Briefmarke

Taras Schewtschenko, ukrainischer Maler und Nationaldichter auf einer Briefmarke von 1920

Vor ein paar Tagen war Briefmarkentag in Hechingen, da sind wir beim Stöbern auch auf Briefmarken aus der Ukraine gestoßen. Auf einer ist der ukrainische Nationaldichter und Maler Taras Schewtschenko abgebildet. Schewtschenko wurde am 9. März 1814 in Morynzi in der Nähe von Kiew geboren und starb am 10. März 1861 in St. Petersburg.

Taras Schewtschenko ist der ukrainische Nationaldichter, seine Gedichte sind nationales Kulturgut. Während der Orangen Revolution 2004 in Kiew und während des Euromaidan 2013/2014 wurden Schewtschenkos Verse rezitiert. Der ukrainische Schrifsteller und Friedenspreisträger Serhij Zhadan sagt über Schewtschenko:

„Kaum, dass bei uns Ukrainern irgendetwas Bahnbrechendes passiert, tauchen Schewtschenko-Zitate auf.“

Aber so sehr Schewtschenko in der Ukraine verehrt wird, so wenig darf sein Name vermutlich in den von Russland völkerrechtswidrig besetzten Gebieten der Ostukraine erwähnt werden. Denn Ziel des Putin-Regimes ist die Auslöschung der selbstständigen ukrainischen Nation und ihrer Kultur.

„20 Tage in Mariupol“

Am 24. Februar 2022 begann der vollumfängliche Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine. Damit begann auch die Belagerung der strategisch wichtigen Stadt Mariupol am asowschen Meer. Drei Wochen dieser Belagerung zeigt der Dokumentarfilm „20 Days in Mariupol“, der in diesem Jahr den Oscar für den besten Dokumentarfilm erhalten hat.

Vor zwei Tagen wurde der Film in Tübingen im Rahmen der Reihe „Brennpunkt Ukraine“ des Osteuropa-Instituts und des Slavischen Seminars der Universität Tübingen gezeigt. Der renommierte Tübinger Osteuropa-Historiker Prof. Dr. Klaus Gestwa (dessen publizistischer, Einsatz für die Ukraine gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann) gab vor dem Film einen Abriss der Geschichte der kulturell und industriell einst so bedeutenden Stadt Mariupol. Nach dem Film berichtete die aus Mariupol stammende Ukrainerin Afina Albrecht, die schon lange in Stuttgart lebt, über die Zeit der Belagerung, die ihre teils noch in der Ukraine lebende Familie erleiden musste.

Der ukrainische Filmemacher Mstyslav Chernov und sein Team von Associated Press (AP) filmten 20 Tage während der Belagerung von Mariupol. Was diese brutale Belagerung und Eroberung durch die russische Armee für die Zivilbevölkerung bedeutet, hat Chernov in dramatischen Bildern dokumentiert, die er immer wieder via Internet oder Satellit an AP verschickt hat. Redaktionen auf der ganzen Welt haben die Bilder gezeigt.

Unter Einsatz ihres Lebens haben Mstyslav Chernov, der Fotograf Evgeniy Maloletka und die Videoproduzentin Vasilisa Stepanenko der Welt gezeigt, wie wenig ein ukrainisches Menschenleben den russischen Invasoren bedeutet. Die dramatischen, aufwühlenden Aufnahmen aus einer Geburtsklinik unter russischem Beschuss, aus der  Notfallklinik, wo Ärzte im Gang operierten, schonen die Zuschauer nicht. Aber die Bilder sind wichtig! Den ganzen Film kann man noch bis 19. Mai in der ARD-Mediathek sehen. Hier der Trailer.

Kriegsverbrechen

Die Belagerung von Mariupol und das Vorgehen der russischen Armee wird von der EU als Kriegsverbrechen gewertet. Am 20. Mai 2022 verkündete die Regierung in Kiew die Kapitulation von Mariupol. Die genaue Zahl der Opfer ist bis heute nicht bekannt. Human Rights Watch, SITU Research und Truth Hounds gehen davon aus, dass mehr als 8.000 Zivilist*innen starben. Vermutlich ist die Opferzahl aber deutlich höher, weil die vielen Leichen in den Massengräbern (noch) nicht identifiziert werden können. Daneben wurden alle 19 Krankenhäuser zerstört, ebenso wie fast alle der 89 Bildungsreinrichtungen und 93 Prozent der knapp 500 mehrstöckigen Gebäude. (Quelle: Wikipedia).

Es wäre wünschenswert, dass diesen Film vor allem die anschauen, die den Krieg in der Ukraine einfrieren wollen und im deutschen Talkshow-Tingeltangel von Verhandlungen mit dem Kreml phantasieren. Kann man ernsthaft mit Kriegsverbrechern verhandeln, die, wie der russische Außenminister Lawrow, die Bilder von Mariupol als „Fake“ und „inszeniert“ bezeichnen?

NK | CK

PS: Der Schriftsteller Serhij Zhadan aus Charkiv, dessen Buch „Internat“ wir hier im Blog besprochen haben, hat sich übrigens vor kurzem an die Front gemeldet, auch aus Enttäuschung über die mangelnde Unterstützung des Westens für den ukrainischen Kampf um die Freiheit. Hier ein hörenswerter Beitrag von SWR 2 Kultur.

Weitere Informationen

Homepage Osteuropa-Institut der Uni Tübingen

Slavisches Seminar der Uni Tübingen

Homepage Mstyslav Chernov

Homepage Evgeniy Maloletka

Langes Portrait von Taras Schewtschenko im DLF Kultur

Karl Schlögel Ende April 2022 über Mariupol

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Happy Birthday, Jack Ridl!

Poet, friend, good guy, kind man, coffee chef: Jack Ridl

Poet, friend, good guy, kind man, coffee chef: Jack Ridl

This is for Jack

This is for Jack. He’s
a good guy and
a kind man. He knows
how to break
a line, writes
poems which help us make
it through the day and even
through the night. Each
morning he makes strong
coffee for Julie. He never
forgets to warm the cups.

for Jack Ridl

It’s almost 10 years now since I left a comment on one of Jack’s poems on his homepage, never expecting a response from a “real” poet and Professor. But Jack did answer, sending me a kind e-mail. Ever since we write each other frequently and have become friends. I am grateful for this friendship which is for me a constant source of comfort and inspiration – as are Jack’s wonderful poems.

Last Wednesday Jack Ridl celebrated his 80th birthday. We congratulate him warmly wishing all the best and are looking forward to his next book of poetry.

NK | CK

PS: The little poetic homage above is an answer to the opening poem of “Practicing to Walk Like a Heron”.

“Write to Your Unknown Friends“ (Jeff Gundy)

This is for Bob. He’s a good guy, likes
to fly fish, records each catch, where
he caught it, the weather, type of fly,
time of day. He tosses everyting back.

This is for Tanya. She’s a single mom
with three kids. She works behind
the counter in the post office, knows
everyone in town. Years ago she
threw away the “Return to Sender.
Address Unknown” stamp.

This is for Ted. Ted sells cars.
He wishes cars with fins would
come back. He knows gas mileage
matters. But “You don’t see
mileage when a car drives by.”

This is for Kenny. He never made it
past the sixth grade. In the winter,
he plows driveways, shovels walks.
The rest of the year he paints houses,
mows lawn, hauls junk. Each morning
he buys a paper, reads it over a cup
of coffee, black, and does the crossword.

This is for Ann. In her backyard, she
has a perennial garden, best in town,
more than a hundred different plants.
She has four greyhounds and a parakeet.
Where she goes, she wears a hat.

This is for Martha. She talks to
sparrows. She tries to tell them
something they’ve never heard.

This is for Sammy. He’s always late.
He loves to play blackjack. He’s
no good at counting cards. He wants
to own a motorcycle and ride it
to places he’s never been – Toledo,
Jacksonville, Los Angeles, Maine.

Today there’s no one around.
Too bad. It’s a good day
to call some friends, see if
they’s like to come over, shoot
the breeze, have some pizza, maybe
watch an old movie on TV.

Jack Ridl
(used here with permisson of the author)

For more information about Jack Ridl visit his website

 

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Glück der Melancholie

Die Amsel (Turdus merula) ist mit ihrem Gesang die Primadonna assoluta

Die Amsel (Turdus merula) ist mit ihrem Gesang die Primadonna assoluta

Unbeirrt
überstimmt die Amsel
die Abendmelancholie

Ein Gemeinschafts-Haiku von Kranō und Kō

Glück der Melancholie

Der polnische Dichter Adam Zagajewski (21. Juni 1945 – 21. März 2021) spricht in einem Gedicht vom „dunklen Glück der Melancholie“. Vielleicht drücken diese Worte ganz gut aus, was die Menschen in Japan zur Kirschblütenzeit empfinden. Es ist die Freude über den Frühling, die blühende Natur, das neue Leben und gleichzeitig das Gewahrwerden der Tatsache, dass nichts Bestand hat.

Dichtung ist die Kindheit der Zivilisation.
Sagten die Philosophen der Aufklärung
sowie unser Polnischlehrer, groß, hager,
wie ein Ausrufezeichen, das den Glauben verloren hat.

 

Damals wusste ich nicht, was antworten,
ich war selbst noch ein bisschen Kind,
doch ich denke, dass ich im Gedicht

 

Weisheit finden wollte (ohne Resignation)
und auch eine Art ruhigen Wahnsinn.
Ich fand, viel später, Augenblicke der Freude
und das dunkle Glück der Melancholie.

Adam Zagajewski, übersetzt aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. Zagajewskis Bücher erscheinen im Hanser-Verlag.

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