Eigentlich ist Tee ein simples Getränk. Man nimmt heißes Wasser und gießt dieses über eine gewisse Menge Teeblätter. Klingt einfach, oder? Ist es aber nicht! Wer sich etwas intensiver mit dem Thema Tee beschäftigt, kommt aus dem Lesen, Staunen, auch Kopfschütteln nicht mehr raus. Schaut man sich etwa die strengen Teezeremonien in Japan an, wird schnell klar, dass man buchstäblich alles falsch machen kann. Aber wir müssen nicht erst ins ferne Japan reisen: Zeuge einer morgendlichen Teekabbelei kann man auch in der eigenen Küche werden, wie die nun folgende Geschichte von Corinna beweist.
Morgendlicher Streit
Seit Jahr und Tag streiten mein Mann und ich uns regelmäßig um die Teezubereitung. Während das Frühstücksei zu hart oder zu weich geraten darf, ohne dass dem anderen dafür der Kopf abgerissen wird, kommt es bereits beim Zubereiten des Tees zu kontrollierenden Blicken, manch spitzen Bemerkungen oder gar zu Diskussionen, die Wellen auslösen, welche sich erst im Laufe des späten Vormittags wieder glätten.
Wer jetzt denkt, das dies kaum zu glauben ist, weil Tee nun mal nicht kompliziert zu kochen sei, der irrt gewaltig. Beginnen wir damit: ich trinke meinen Tee gerne bei trinkbarer Temperatur. Ich hasse es, mir minutenlang die Lippen zu verbrennen, was geschieht, wenn man das Wasser vor dem Aufbrühen noch einmal hochkocht, obwohl es das bereits getan hat. Damit der Tee nicht einmal die Chance hat, danach etwas abzukühlen, wärmt mein lieber Gatte – der altmodische Ausdruck ist hier angebracht, weil er es in seiner Nettigkeit wahrscheinlich aus reinster Fürsorge macht – die Kanne selbst vorher mit extra heißem Wasser eigens auf. Er selbst kann den von ihm zubereiteten Tee auch nicht wirklich trinken, es handelt sich bei dem Vorgang eher um ein langgezogenes lautes Schlürfen, das sich, weil sich die Teetemperatur in der vorgewärmten Kanne wie gesagt ja kaum verändert, minutenlang hinziehen kann.
Und morgens bin ich sehr empfindlich, was Geräusche betrifft. Ähm, höre ich meinen Mann sagen. Stimmt, du hast recht, nicht nur, was Geräusche betrifft. Ich bin morgens empfindlich, Punkt. Ich werde am Frühstückstisch am besten gar nicht angesprochen, ich kann morgens nicht so viele Worte vertragen. Ich befinde mich da einfach in einem anderen Modus. Die Nacht mit ihren Verirrungen hängt mir noch nach. Ich brauche eine Weile, um in den Tag zu kommen – leider, ich hätte es auch gerne anders. Mein Mann ist ein gefürchteter früher Vogel, der selbst nach schlechter Nacht ein Liedchen unter der Dusche trällert.
Aber wir waren beim Tee. Die Dosierung – ein wahrlich heikler Punkt. Darf man den Herstellerangaben oder den überaus freundlichen und gewiss kundigen Teeverkäuferinnen vertrauen, die angeben, ein Teelöffel pro Tasse sei das richtige Maß? Natürlich nicht, meine ich, schließlich leben sie von dem Verkauf, eine gesunde Skepsis ist also angebracht. Insbesondere meine ich, dass man bei größeren Teevolumina, die es vorzubereiten gilt, auf keinen Fall einfach hochrechnen darf, also etwa sechs Tassen, sechs Teelöffel. Das sieht selbst mein Mann ein, aber ob und wie lange sich diese mathematische Kurve nun proportional verhalten darf, darüber können wir ewig diskutieren, zumal die Teeart hier auch noch eine gewisse Rolle spielt. Mein Mann liebt starken Irisch Breakfast, ich bevorzuge den aromatischeren Earl Grey.
Aber lassen wir die Teesorte jetzt mal der Einfachheit halber beiseite. Viel hilft nicht immer viel, obwohl ich meinen Mann wohl in den uns noch verbleibenden Ehejahren bis zum Greisenalter wohl davon nicht mehr überzeugen werde. Ob milchige Sonnenschutzcreme, Samba Olek oder Tee, ich ahne, er ist früh im Leben mal deutlich zu kurz gekommen. Natürlich sieht er das ganz anders und interpretiert meine, in seinen Augen allzu vorsichtige Dosierung als kleinkrämerischen Geiz. Dabei verdanken wir meiner Sparsamkeit durchaus so manches im Leben.
Schließlich die Ziehdauer. Man ahnt es, es deutet sich ein Gleichnis mit sexueller Symbolkraft an. Kurz und heftig oder etwas länger und dafür abgerundeter? Nun ja, meine Vorliebe dürfte klar sein.
Zur Teatime am Nachmittag haben wir uns übrigens beide wieder beruhigt, jeder bereitet ihn dann nach seiner Art zu, und er wird – ein Wunder – umstandslos vom anderen so getrunken. Ist ja schließlich nur Tee, oder?
Enjoy your tea!
CK | NK
Anmerkung: Der Mann macht übrigens phantastische Scones zum Afternoon Tea.