Schau genau ihn an:
Die Blüten an dem alten Baum
stimmen wehmütig!
Wie viel Male wird er noch
einen Frühling erleben?
Saigyō (1118 – 1190) war ein japanischer Wanderpoet und buddhistischer Mönch. Er gilt als Meister des Waka (Tanka), des 31-silbigen japanischen Kurzgedichts (5 Zeilen à 5-7 5-7-7 Moren / Silben) und war für Bashō und viele andere große Haiku-Dichter das Maß aller Dinge.
Ich kannte Saigyō bisher nicht und bin der Nachbarin und Freundin U. sehr dankbar, dass sie unser Bücherregal mit diesem bibliophilen Schatz bereichert hat.
Buchinformation
Saigyō
Gedichte aus der Bergklause – Sankashû
ausgewählt, übersetzt, kommentiert und annotiert von Ekkehard May
Dieterisch’sche Verlagsbuchhandlung Mainz, 2018
ISBN: 978-3-87162-098-0
zauberhaft schöne Leinenausgabe mit Lesebändchen
Ekkehard May …, ein äußerst imposanter Mensch (von der Größe her, erinnerte er mich an einen Basketball-Spieler), neben dem man sich plötzlich so klein wie eine Ameise fühlt, ist der erste Impuls, der mir zu diesem Japanologe einfällt, dem ich in diesem Leben zweimal begegnet bin. Einmal im Rahmen Deutsch-Japanischen Gesellschaft, als er in den Räumen der JAL einen Vortrag gehalten hat und ein zweites Mal, in der japanischen Botschaft in Frankfurt/M., als er den „Orden der aufgehenden Sonne mit goldenen Strahlen“ verliehen bekam (es gibt davon mehrere Varianten, leider weiß ich nicht mehr, um welchen es sich genau handelte) und ich als noch amtierender Vorsitzender der Deutschen Haiku-Gesellschaft eingeladen war.
Die von ihm in der Dietrichen Verlagsbuchhandlung veröffentlichten Bücher sind alle das Geld wert, das man dafür ausgibt. Die Empfehlung von Frau „U.“ also ein Volltreffer.
Bei Interesse zu dieser Epoche japanischer Dichtkunst, weise ich auch auf den bei Reclam erschienen Titel „Shinkokinwakashu“ von Horst Hammitzsch hin (weilt nicht mehr unter den Lebenden) und seiner Lebensgefährtin Lydia Brüll hin. Das Bändchen ist leider wohl nur noch antiquarisch zu haben. Lydia Brüll (ein ehemaliges Mitglied der Deutschen Haiku-Gesellschaft) hat in der Zeitschrift SOMMERGRAS eine Serie zum Thema „Haibun“ veröffentlicht. Soweit zur Info …
Spontan ist mir zu diesem Mönch eingefallen, dass ich zweimal anlässlich einer zu schreibenden Geburtsagskarte (!) folgendes Gedicht von Saigyô dazu geschrieben habe:
Während ich, alt nun,
über mein Sein in der Welt
nachdenklich grüble,
da in der Ferne der Mond
neigt sich zum Untergehen
Ich denke, dass man jeden Tag möglichst bewusst leben und keine Angst vor dem Tod haben sollte, was natürlich leicht daher gesagt ist, wenn ich ganz ehrlich bin. Vielleicht waren die Mönche im alten Japan da etwas abgeklärter und eher angstfrei …