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„Die Wurmlinger Kapelle“ – Nikolaus Lenau

„Freundlich schmiegt des Herbstes Ruh“ (Lenau) sich an die Wurmlinger Kapelle

„Freundlich schmiegt des Herbstes Ruh“ sich an die Wurmlinger Kapelle

Lenaus Weltschmerz

Vor zwei Wochen hatten wir in einem Beitrag eine Zeile aus Nikolaus Lenaus Gedicht über die Wurmlinger Kapelle drin. Auf Wunsch bringen wir deshalb heute das ganze Gedicht Lenaus.

Ich bin sicher, dass wir in der Schule Lenau durchgenommen haben, die Erinnerungen daran sind aber leider bis zur Unkenntlichkeit verblasst. Bei Wikipedia lesen wir, dass der Österreicher Nikolaus Lenau (13. August 1802 – 22. August 1850) als wichtigster deutschsprachiger Dichter des Weltschmerzes und des Pessimismus gilt – was man in seinem Gedicht über die Wurmlinger Kapelle auch deutlich anmerken kann. Lenau, der jung an den Folgen eines Schlaganfalls starb, hat, wie auch Ludwig Uhland, mit seinem Gedicht zur Bekanntheit der Wurmlinger St. Remigius Kapelle beigetragen.

Die Wurmlinger Kapelle

Luftig, wie ein leichter Kahn,
Auf des Hügels grüner Welle
Schwebt sie lächelnd himmelan,
Dort die friedliche Kapelle.

Einst bei Sonnenuntergang
Schritt ich durch die öden Räume,
Priesterwort und Festgesang
Säuselten um mich wie Träume.

Und Marias schönes Bild
Schien vom Altar sich zu senken,
Schien in Trauer, heilig mild,
Alter Tage zu gedenken.

Rötlich kommt der Morgenschein,
Und es kehrt der Abendschimmer
Treulich bei dem Bilde ein;
Doch die Menschen kommen nimmer.

Leise werd ich hier umweht
Von geheimen, frohen Schauern,
Gleich als hätt ein fromm Gebet
Sich verspätet in den Mauern.

Scheidend grüßet hell und klar
Noch die Sonn in die Kapelle,
Und der Gräber stille Schar
Liegt so traulich vor der Schwelle.

Freundlich schmiegt des Herbstes Ruh
Sich an die verlaßnen Grüfte;
Dort, dem fernen Süden zu,
Wandern Vögel durch die Lüfte.

Alles schlummert, alles schweigt,
Mancher Hügel ist versunken,
Und die Kreuze stehn geneigt
Auf den Gräbern – schlafestrunken.

Und der Baum im Abendwind
Läßt sein Laub zu Boden wallen,
Wie ein schlafergriffnes Kind
Läßt sein buntes Spielzeug fallen. –

Hier ist all mein Erdenleid
Wie ein trüber Duft zerflossen;
Süße Todesmüdigkeit
Hält die Seele hier umschlossen.

NK | CK

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1 Kommentar

  1. Herzlichen Dank für das Lenau-Gedicht, ganz schön traurig für so einen jungen Mann.
    Oder war die Traurigkeit dem Zeitgeist geschuldet, verkaufte sich halt besser, so wie Gustav Schwabs “Reiter über den Bodensee”, der ja in Wirklichkeit seine gelungene Seeüberquerung fröhlich in einem Witrshaus feierte und nicht vor Schreck tot umfiel.
    Lenau war bei uns in Niedersachsen keine Schullektüre. Mich würde interessieren, wie er bei Schülern ankam.
    Beste Grüße.
    Inge Simon

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