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Winter · Hölderlin, 25. Dezember 1841

Wurmlinger Kapelle bei Tübingen, wo Hölderlin, Hegel und Schelling desöfteren hingewandert sein sollen

Wurmlinger Kapelle bei Tübingen, wo Hölderlin, Hegel und Schelling desöfteren hingewandert sein sollen

Winter

Wenn sich das Laub auf Ebnen weit verloren,
So fällt das Weiß herunter auf die Tale,
Doch glänzend ist der Tag vom hohen Sonnenstrahle,
Es glänzt das Fest den Städten aus den Toren.

Es ist die Ruhe der Natur, des Feldes Schweigen
Ist wie des Menschen Geistigkeit, und höher zeigen
Die Unterschiede sich, daß sich zu hohem Bilde
Sich zeiget die Natur, statt mit des Frühlings Milde.

d. 25 Dezember 1841.
Dero
untertänigster
Scardanelli.

Winter 2020

Wenn ich in diesem Moment aus dem Fenster unseres Büros schaue, sehe ich leider keine Spur von Weiß, das „auf die Tale“ herunterfällt. Im Gegenteil: die Knospen an den Bäumen werden schon dicker, und ich muss zusehen, dass ich die Apfelbäume im Garten bald schneide.

Ob er noch kommt, der Winter? Schön wär’s ja – für Natur und Mensch. Bis dahin müssen wir, zumindest hier an des Neckars Gestaden, mit Fotos von Schneelandschaften und bezaubernden Wintergedichten Vorlieb nehmen. Wie das Wetter am 25. Dezember 1841 war, als Friedrich Hölderlin im Turm zu Tübingen dieses Gedicht geschrieben hat? Ich weiß es nicht, versuche es aber herauszufinden. Aber vielleicht weiß es jemand von Euch?

Untertänigst danken

N.K. | C.K.

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1 Kommentar

  1. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts dauerte die sog. Kleine Eiszeit, die das Klima in Mitteleuropa bestimmte. Das heißt, es war im Winter auf alle Fälle kälter als zur Zeit

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