In der Bibel steht, dass Jesus auf einer Eselin am Sonntag vor dem Pessachfest nach Jerusalem einreitet. Palmsonntag nennen Christinnen und Christen den kommenden Sonntag, weil die Menschen Palmzweige auf dem Weg verteilt haben sollen, damit die Eselin mit ihrem Reiter nicht ausrutscht.
„Ich weiß nicht, ob ich an einen Gott glaube – und Fromme werden mir diesen Satz nicht verzeihen, aber ich kann in dieser Sache nicht lügen – das ist schon sehr eigenartig, dass ich es in dieser Sache nicht kann, und vielleicht ist das schon Teil eines Gottesbeweises – aber ich kann beim besten Willen nicht wissen, ob ich an ihn glaube. Trotzdem, trotzdem – ich brauche ihn. (…) ich brauche ihn, damit das alles, was ist, nicht sinnlos ist – und damit das alles, was ist, nicht alles ist.“ (Peter Bichsel)
Vor knapp einem Monat ist der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel im Alter von 89 Jahren gestorben. Grund genug für uns, uns etwas näher mit diesem bescheidenen, aber großen Meister der kurzen Form zu beschäftigen, der trotz seines Erfolgs immer bodenständig und nahbar war. Bichsel, dieser wunderbare Erzähler, hat kurze und kürzeste Geschichten geschrieben, viele Kolumnen, aber immer wieder auch Texte zu religösen Themen und zum Glauben. Im Schweizer Radio haben wir vor ein paar Tagen ein sehr interessantes Gespräch mit Peter Bichsel gefunden, in dem er sich zum Thema „Gott und die Welt“ sehr persönlich und hörenswert äußert. Die Sendung gibt’s hier zum Nachhören.
Der Band „Über Gott und die Welt“, dem das obige Zitat entnommen ist, enthält Peter Bichsels gesammelte Texte zur Religion. Diese Texte sind klug, differenziert, hintersinnig, humorvoll, mahnend, melancholisch, manchmal streng, aber immer anregend. Man lernt vieles bei der Lektüre, auch dieses:
„Der Glaube an die Muskatnuß ist etwas Ernstes.“
NK | CK
Buchinformation
Peter Bichsel
Über Gott und die Welt. Schriften zur Religion
Herausgegeben von Andreas Mauz
Suhrkamp Verlag, 2009, Broschur
ISBN 978-3-518-46154-9
Ich sitze vor dem Bildschirm, lausche der Stimme von Peter Bichsel mit Mühe, um am Ende des Interviews, in dem es im Wesentlichen um den Glauben an einen Gott geht. An einer Stelle spricht er davon daraus die Hoffnung zu benötigen, dass alles was ist nicht sinnlos und alles was ist nicht alles ist. Ich interpretiere das nicht unbedingt als eine Hoffnung, die im Glaubensbekenntnis der katholischen Kirche mit dem Satz endet:
„Ich glaube an die katholische Kirche und das ewige Leben“, womit seine Formulierung im Grunde genommen eigentlich bereits vorgegeben wird und somit alles, was ist, tatsächlich nicht alles ist …, es also einen „Nachschlag“ geben könnte, wie man nach dem Essen noch auf ein Dessert lauert.
Wahrscheinlich bin ich zu oft und meistens mit hoch gezogenen Augenbrauen über dieses finale „Ergebnis“ oder besser diese „mögliche Hoffnung“ gestolpert, weil ein Glaube halt stets mindestens eine Stufe hinter der tatsächlichen Wahrheit zurückliegt und niemand wirklich wissen kann, ob und in welchem Zustand man sich am finalen Ende tatsächlich wie neu geboren fühlt oder der Lebensschalter „bis in alle Ewigkeit“ das ICH aus dem Rennen nimmt.
In diesem Zusammenhang fällt mir regelmäßig jene in Frankfurt am Main erlebte Tag ein, in der zu einer Veranstaltung eingeladen wurde, in welcher eine Amerikanerin eingeladen wurde, die mit Verstorbenen in Kontakt tritt. Immerhin dachte ich und meldete mich dazu an und saß ziemlich weit hinten in einer bis auf den letzten Platz ausgebuchten Halle. Und weil die junge Frau nicht nur akzentfrei Deutsch sprach, sondern auch irgendwie durchaus jugendlich drein schaute, spitzte ich zu ihrer Ansprache die Ohren und vernahm den Satz: „Ich werde heute nicht einzelne Personen mit ihren Verstorbenen Eltern, Geschwistern, oder Kindern in Kontakt bringen, sondern das der Reihe nach mit allen Anwesenden tun.
Und weil sich dieses Unterfangen sehr ambitioniert anhörte, aber immerhin flüssig voran ging, einige ältere Herrschaften einige Tränen vergossen, also sichtlich bewegt waren gleichwohl die „Antworten“ der Verstorbenen nicht sonderlich erhellend waren (z.B.: Ihr Mann war ein begeisterter Gärtner und hat sich speziell ganz besonders um die Rosen gekümmert“.) irgendwie so ausfielen, dass immerhin ein Grad an Glaubwürdigkeit bestand, andere jedoch von den Antworten in Tränen ausbrachen, war ich immerhin gespannt, was passieren würde, wenn ich an die Reihe kommen würde.
Und was soll ich jetzt nach so vielen Jahren sagen, außer, dass ich eine Gänsehaut verspüre und in diesem Augenblick wie benebelt vor mich hin starre … „Das vor mir stehende Medium sprach den folgenschweren Satz: Neben mir steht ein Mann, er nennt sich Hartmann.“ Irgendwie muss ich die Frau für Sekundenbruchteile mit einem derart verblüfften Gesichtsausdruck angestarrt haben, dass sie darauf mit dem Satz „Ich sehe, dass sie mir nicht glauben.“ ohne weiteren Kommentar zur nächsten Person wechselte, aber daraufhin ziemlich schnell den Faden verloren haben musste, dass die nach mir nur mehr Trivialitäten zu hören bekamen. Ich habe mir insofern geschworen, wenn ich dereinst als Verstorbener tatsächlich mit meinem Vater oder meinem Sohn in Kontakt trete, mich kleinlaut werde entschuldigen müssen, sofern ich nicht bereits auf der Liste, der vom ewigen Leben ausgeschlossenen Ungläubigen bereits endgültig gelöscht wurde.
Immerhin ist das Thema durchaus interessant, dass ich in der hiesigen Leihbücherei malkundig machen, inwieweit die angegebene Buchinformation „Über Gott und die Welt – Schriften zur Religion“ zum ausleihen vorrätig ist.
Gott schweigt beharrlich.
Die Spende eines Euro
ist viel zuwenig ….