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»Oben Erde, unten Himmel« – ein außergewöhnlicher Roman

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Wenn ich einen Roman beendet habe, der mich gefesselt hat, muss ich normalerweise eine kurze Lesepause machen. Oder ich schiebe ein Sachbuch dazwischen. Ich bin innerlich noch mit dem Abschied von den Figuren beschäftigt, und das Gelesene braucht Zeit zum Nachwirken. Beginne ich zu früh für meine Leseseele einen neuen Roman, drückt sich das häufig darin aus, dass ich mich noch nicht auf die neuen Charaktere einlassen kann. Es ist durchaus vergleichbar mit Beziehungen im echten Leben.

Oben Erde, unten Himmel

Nun ja, dieser Sommer scheint anders zu sein. Ich lese einen tollen Roman nach dem anderen. Nach »Sommerwasser« bin ich abgetaucht in »Oben Erde, unten Himmel«, ein Roman von Milena Michiko Flašar, der 2023 im Verlag Klaus Wagenbach erschienen ist. Suzu, die 25jährige Hauptfigur, lebt allein mit einem Hamster. Sie ist keine extreme Eigenbrötlerin, aber sie ist gerne allein:

Schuld daran war vielleicht mein Phlegma. Kontakt zu pflegen oder überhaupt zu knüpfen empfand ich als lästig. Es erschöpfte mich, jemanden kennenzulernen. All die Gespräche, die man führen musste, um auf eine gemeinsame Schnittmenge zu kommen! All die Missverständnisse und Verstrickungen, die sich dabei ergeaben! Wozu die Mühe? Es war schon anstrengend genug, ich selber zu sein.

Nachdem sie ihr Studium abgebrochen hat, jobbt sie als Aushilfskellnerin. Das Leben in einer japanischen Großstadt, in der so leicht die Grenze zwischen Desinteresse und Diskretion verschwimmt, kommt Suzu entgegen. Suzu wird jedoch alsbald gekündigt, und ihr Chef legt ihr nahe, sich eine Arbeit zu suchen, bei der sie möglichst wenig Kontakt zu Menschen hat, was Suzu sich zu Herzen nimmt.

In einer Zeit, in der »vernetzt zu sein« beständig als lohnenswertes Ziel ausgegeben wird, erscheint Suzu immer wieder als Außenseiterin, manchmal gar als unnahbar oder nicht teamfähig. Dabei macht sie sich durchaus viele Gedanken um andere, fühlt sich selbst aber oft nicht zugehörig. Manchmal ist sie auf Dating-Sites unterwegs, aber nach einer kurzen Beziehung mit Kôtarô067, der sie ohne Erklärung wie eine Mücke verscheucht hat, baut Suzu ihren Schutzwall wieder um sich auf.

Sie findet eine neue Arbeit – und die hat es in sich! Ich will hier nicht zu viel verraten. Aber so viel sei gesagt, dass es um die »letzten Dinge« geht. Eine Arbeit, bei der es um körperliche Überwindung, aber auch um Respekt und sogar Ehrfurcht geht. Und um ein Feingefühl, das die empfindsame Suzu ohne jeden Zweifel hat.

Widerwillig nimmt Suzu an einem Kirschblütenpicknick ihres neuen Arbeitgebers teil und lernt dabei Menschen kennen.

Widerwillig nimmt Suzu an einem Kirschblütenpicknick ihres neuen Arbeitgebers teil und lernt dabei Menschen kennen.

Die Ich-Erzähler-Perspektive, die die Autorin gewählt hat, bringt uns Suzu schnell sehr nahe. Flašar zeigt, dass introvertierte, kontaktscheue Menschen schnell in eine falsche Schublade gesteckt werden.

Das Verbindende zwischen Kulturen

Milena Michiko Flašar entführt uns mit ihrem Roman in die fremde Welt der japanischen Großstadt, ohne dass wir uns fremd fühlen. Das allein ist großartig gemacht. Flašar, 1980 im österreichischen St. Pölten als Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters geboren, verwendet immer wieder japanische Ausdrücke, durch die für uns Leser ein detailreiches Bild der gegenwärtigen Atmosphäre in einer japanischen Großstadt entsteht. Worterklärungen am Ende des Buches helfen uns bei den japanischen Ausdrücken sehr gut weiter. Und als Autorin, die mit zwei so unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen ist, schafft sie es, dem Leser immer wieder das Verbindende zwischen den Kulturen vor Augen zu führen:

Leben probiert man nicht aus. Man lebt es einfach. Es gibt keine Generalprobe. Keine Wiederholungen.

»Oben Erde, unten Himmel« ist ein tiefgründiger und zugleich heiterer Roman über schwierige Themen unserer Zeit, ein frisches, wunderbares Buch, dem wir viele Leser wünschen!

CK | NK

Buchinformation

Milena Michiko Flašar
Oben Erde, unten Himmel
304 Seiten, gebunden
Verlag Klaus Wagenbach Berlin, 2023
ISBN 978-3-8031-3353-3

Homepage der Autorin

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Oben Erde, unten Himmel. Ein wunderbarer Roman von Milena Michiko Flašar

Oben Erde, unten Himmel. Ein wunderbarer Roman von Milena Michiko Flašar

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3 Kommentare

  1. Habe die Inhaltsangabe nicht gelesen, weil ich den Roman noch lesen will.
    Zwei Romane kenne ich von ihr schon. Auch da habe ich die Autorin als sehr positiv und immer menschlich zugewandt empfunden. Werde gleich nachschauen, ob das ein neuer Roman ist.
    Danke für den Tipp

  2. Pingback: Lesen und Kochen: Der literarische Küchenkalender 2024 - ReklamekasperReklamekasper

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