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Leise und heiter: „Dagegen die Elefanten“

Dagegen werden die Elefanten kaum übersehen. Foto: Norbert Kraas

Dagegen werden die Elefanten kaum übersehen. Foto: Norbert Kraas

Als Protagonist: ein Übersehener

Wunderbar leise und dabei heiter ist der Roman „Dagegen die Elefanten!“ von Dagmar Leupold, 2022 im Verlag Jung und Jung erschienen. Es ist wohltuend zu lesen, wie sich die Autorin mit den Übersehenen unserer Gesellschaft beschäftigt. Protagonist ist Herr Harald, der Mann im Theater, der den Menschen ihre Mäntel und Taschen abnimmt und diese bewahrt, bis sie wiederkommen nach dem Schlussapplaus. Ist das eine Tätigkeit, über die es mehr zu erfahren lohnt? Ein Leben, über das man mehr wissen möchte? Aber ja!

Ein paar Kostproben

Herr Harald erkennt am Geruch der Mäntel den Unterschied zwischen Reichtum und Behauptung, und während der Aufführung betrachtet er im gedimmten Licht die Mäntel, die wie ausgeweidet an den wuchtigen Haken hängen. Er beobachtet, wie unterschiedlich die Besucher mit der Garderobenplakette umgehen, so verstauen Frauen die Plakette behutsam, als wäre sie eine Oblate, die sie später auf ihre Zunge zu betten gedenken. Ist das nicht großartig geschrieben?

Herrn Haralds Gedanken sind den Menschen zugewandt und von einer maßvollen Heiterkeit. Und Herr Harald mag seinen Beruf:

„Wächter über etwas zu sein, und seien es Mäntel, ist befriedigend. Herr Harald bewacht Mäntel, ja, aber er wacht auch irgendwie über deren Eigentümer. Er verwahrt ihr Eigentum und gibt es ihnen unversehrt zurück, wie er ihnen selbst wünscht zu bleiben. Die gut behüteten Mäntel behüten dann ihre Träger.“

Während der Aufführungen liest Herr Harald in einem Buch, das ein Operngast vergessen hat, abzuholen: ein Grundkurs Italienisch I, Bella Italia:

„Im Buch lag noch der Kassenzettel, billig, das schöne Italien, denkt Herr Harald, er hätte sich eine Sprache teurer vorgestellt. (Aber recht bedacht, ist es eigentlich ja eine gebrauchte). Es freut ihn, dass er nun anstelle von jemand anderem Italienisch lernt.“

Leise und heiter ist das Buch „Dagegen die Elefanten“ von Dagmar LeupoldDann wird er wieder zum diskreten Beobachter und Zeugen – von Aufregungen und Inszenierungen, kleinen und großen Tragödien. Wir lernen als Leser noch andere Übersehene kennen, die Türschließerin, Kassiererinnen, genau genommen scheint die Welt voll von ihnen zu sein, es braucht nur den geübten Blick. Und wir beobachten Herrn Harald, wie er sich langsam, aber sicher in die Frau verliebt, die für die Konzertpianisten die Noten umblättert, auch sie ein Schattengewächs abseits von Rampenlicht und Ruhm.

Pausendeserteure

Das alles beschreibt Dagmar Leupold, die 17 Jahre lang das Studium Literatur und Theater an der Universität Tübingen leitete, mit leisem Ton, sprachlicher Gedankentiefe und einem unglaublichen Gespür für zarte Tragik, Sprachwitz und Ironie. Man fühlt sich bei so feiner Beobachtung an manch leise und heitere Loriot-Szene erinnert: es gibt keine uninteresannten und auch keine unkomischen Menschen. So erkennt Herr Harald auch die Besucher,

„die von Beginn an Totzeit empfinden. Das Theaterabonnement gehört zu ihrem Leben wie der Zahnarztbesuch. Die Pausendeserteure – die einen wie die anderen – reißen jedenfalls Herrn Harald ihre Mäntel förmlich aus der Hand und fädeln die Arme im Gehen ein, von den Außenstehenden vor den Toilettentüren tadelnd gemustert.“

Wir begleiten als Leser Herrn Harald selbstverständlich auch in sein Privatleben, das Schrulligkeiten und zuweilen auch Molltöne enthält, denen Herr Harald mit Disziplin und gedanklicher Unbeirrtheit versucht zu begegnen:

„Ein angebissener Tag, der Nachmittag dehnt sich vor ihm, läuft aus wie Verschüttenes, wird ungestalt. Die gute Laune dünnt aus, kämpft um die Oberhand. Herr Harald spürt, es ist Zeit für eine Maßnahme und setzt sich kurzerhand in ein Steh-Café …“

Dass dieser Roman sogar noch richtig spannend wird, soll hier nur angedeutet werden, denn es lohnt sich, ihn ganz zu lesen! Wir finden: Literatur zeigt sich von ihrer schönsten Seite, wenn es gerade nicht um das Spektakuläre geht. Dagegen die Elefanten! ist leise und heiter und literarische Feinkost!

CK I NK

Buchinformation

Dagmar Leupold
Dagegen die Elefanten!
Hardcover mit Lesebändchen
Verlag Jung und Jung, Salzburg
ISBN: 978-3-99027-262-6

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2 Kommentare

  1. Die Rezension ist so vielversprechend, dass ich sue gleich an meine Schreibgruppe weitergegeben habe. Die waren ganz angetan, denn wir hatten gerade als Thema „unsichtbare Personen“.
    Vielen Dank!!

  2. Pingback: Leonard und Paul – Feelgoodbuch aus Irland - ReklamekasperReklamekasper

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