Ein fremdartiges Wesen
„An einem feuchten, matschigen Oktobernachmittag entdeckte mein zweijähriger Enkel einen dunklen, rundlichen Klumpen, der sich an unserem Teich verfangen hatte.“
So beginnt „Das Igel-Tagebuch“ der britischen Journalistin Sarah Sands, die während des Corona-Lockdowns viel Zeit mit ihrem Mann in ihrem Haus in Norfolk verbringt und dort eigentlich das englische Landleben genießen möchte. Dazu kommt es aber vorerst nicht. Denn Sands ist in England eine erfolgreiche Journalistin und kümmert sich in diesem Herbst um ihren hochbetagten, kranken Vater, der mit lebensbedrohlichen Herzproblemen im Hospital liegt. Positive Veränderung in diese beginnende Phase des Abschiednehmens vom geliebten Vater bringt unverhofft ein stachliger Fund.
„Diese Kreatur war wie aus einer Tolkien-Geschichte: ein fremdartiges Wesen, das in Gefahr schwebt. Robust und gutherzig, aber in Bedrängnis.“
Nachdem Sarah und ihr Mann einen geschwächten Igel aus ihrem Teichnetz befreit haben, bringen sie ihn in ein Igel-Hospital (ja, so etwas gibt es in England), wo sich Igel-Pflegerinnen und Tierärztinnen aufopferungsvoll um stachelige Kreaturen kümmern und diese vor dem Tod retten. Die Entdeckung dieses Igel-Hospitals ist für die Vollblut-Journalistin eine Initialzündung. Sie beginnt zu recherchieren und erkennt nach und nach
„wie tief diese Tiere in unserer Kultur, Literatur, Geschichte und Seele verwurzelt sein müssen. Kein anderes Land der Erde hat so ein enges Verhältnis zu Igeln.“
Trost in der Natur
„Das Igel-Tagebuch“ ist ein erzählendes Sachbuch, in dem die Autorin gekonnt die Ergebnisse ihrer Igel-Recherchen mit dem Abschiednehmen von ihrem Vater verbindet. Es ist ein melancholisches, aber auch tröstliches Buch über das Verhältnis Mensch und Natur, Leben und Tod, Leid und Hoffnung. Und wie ihr sterbender Vater, ein leidenschaftlicher Naturkundler wie viele Engländer, findet auch die Autorin Kraft und Trost aus ihrer intensiven Beschäftigung mit der Natur. Diese allerdings ist, wie Sands uns an der Spezies Igel vor Augen führt, höchst gefährdet. Gut, dass es Menschen wie die Igel-Helfer gibt, die alles daran setzen, unsere industrialisierte Welt wieder zu einem freundlicheren Ort für unsere stacheligen Mitbewohner zu machen. Deren Vorfahren lebten übrigens schon vor rund 60 Millionen Jahren auf unserem Planeten. Wir kamen viel, viel später.
Fazit: Wer in diesen politisch anstrengenden Zeiten mal abschalten möchte, dem sei dieses schmale, gut erzählte Buch empfohlen, das Sofia Blind hervorragend aus dem Englischen übersetzt hat.
„Neben dem Teich ist ein ein dunkler, rundlicher Umriss zu erkennen. Ein Igel. Für den Augenblick ist mit der Welt alles in Ordnung.“
NK | CK
Buchinformation
Sarah Sands
Das Igel-Tagebuch. Über die Hoffnung und einen stacheligen Gefährten
gebunden, 176 Seiten, Lesebändchen
Dumont-Buchverlag, Köln, 2024
ISBN: 978-3-7558-0026-2
Wie ein igelfreundlicher Garten aussehen sollte, kann man hier nachlesen.
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Was für ein schöner Artikel! Ich habe den Blog erst seit kurzem abonniert und bin von den Texten und Fotos begeistert! Manche von ihnen, wie dieser Text zum
Igel-Buch wären auch eine Inspiration für unsere Mitglieder. Ich betreue den Instagram Account der Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur e.V. und würde gerne auf Ihren Blog aufmerksam machen. Vielleicht mit diesem Thema. Würden Sie das begrüßen?