Spätestens seit Barack Obamas Wahlkampf 2.0 wissen wir, wie sehr dem amerikanischen Präsidenten bzw. seinen Beratern daran gelegen ist, die ihrer Meinung nach korrekte Sicht auf die Welt und die entsprechenden Bilder dazu zu verbreiten. Kaum anzunehmen, dass die PR-Leute von Obama das beliebte Bildbearbeitungsprogramm Photoshop nicht auf ihren Rechnern haben.
Die Kontrolle der Bilder ist ja gerade in der Politik häufig wichtiger als die Inhalte der derselben. Frau Merkel will nur aus ganz bestimmten Winkeln fotografiert werden, Sarkozy lässt Hüftspeck wegmachen und möchte bitte schön niemanden neben sich haben, der größer ist und Schröder legte, wie wir ja alle wissen, sehr viel Wert auf die korrekte Beurteilung seiner Haarpracht.
Retusche wie geschmiert: Obama am Ölstrand
Nun ist Obama selbst Opfer einer manipulativen Darstellung geworden. Das renommierte britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ hat vor einigen Tagen mit einem Coverfoto aufgemacht, das einen einsamen, nachdenklichen Obama an einem Strand zeigt, im Hintergrund unscharf wahrscheinlich eine Ölplattform. So weit so schön.
Gar nicht schön findet das Economist-Cover allerdings der Reuters-Fotograf Larry Downing. Auf seinem Originalbild war Obama nämlich im Gespräch mit dem Chef der US-Küstenwache Thad W. Allen und der Lokalpolitikerin Charlotte Randolph aus Louisiana. Nimmt man nun noch die Headline dazu „Obama v BP“ (Obama gegen BP), und das vor dem Hintergrund, das die US-Regierung seit dem Unglück nur noch von British Petrol spricht und nicht mehr nur von BP, (schon gar nicht von Beyond Petrol) dann wird aus dem Cover eine klare Aussage über die politischen Spannungen zwischen Washington und London im Zuge der Ölkatstrophe.
Retusche und Manipulation
Das Wort Retusche kommt aus dem Französischen (retouche=Nachbesserung). Gemeint war damit ursprünglich das manuelle Entfernen von Schmutz und Flecken von einer Oberfläche oder eines Fotos. Heute fallen darunter Belichtungskorrekturen (Aufhellen) oder das Entfernen von Staubflecken auf dem digitalen Negativ etc.
Das Entfernen von Personen auf Fotos, die Veränderung des fotografierten Inhalts, der ja immer die subjektive Realität des Fotografen widerspiegelt, ist die Fotomanipulation. Manche sagen auch verharmlosend Aufhübschen dazu. Heute kann man davon ausgehen, dass die Coverfotos der meisten Magazine, die uns jeden Tag die Stars und Sternchen zeigen, ohne ausgiebige Retusche/Manipulation nicht auf die Druckmaschinen kommen. Einer der Meister dieses Fachs ist Pascal Dangin, der für große Marken und Magazine arbeitet und an seiner Tätigkeit nichts Schlimmes findet, zu lesen in einem interessanten Interview in der Weltwoche.
Fotos in der Industriegüterwerbung
Was für die Modebranche und die Hochglanzmagazine gilt, nimmt auch im Bereich der Industriegüterwerbung mittlerweile überhand. Die Titelfotos der einschlägigen Fachzeitschriften werden auch, häufig auf nachdrücklichen Wunsch der Kunden, aufgehübscht, retuschiert, manipuliert. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir aufgrund der unablässig strömenden Flut der makellosen, oft dadurch leblosen Bilder gar nicht mehr in der Lage sind, unretuschierte, unmanipulierte Fotos zu „ertragen“. Gerade so als ob die Realität, das Authentische eigentlich nicht gut genug ist. Ist das so?
Unten sehen Sie zwei Fotos, die wir für Kunden gemacht haben und die unbearbeitet veröffentlicht wurden. Was meinen Sie? Hätte man diese Fotos in der Retusche noch „aufhübschen“ müssen?