Was ein Hidden Champion ist, das wissen die meisten von uns. Im Allgemeinen werden darunter kleine und mittelständische Unternehmen verstanden, die in ihrem Markt unter den ersten Drei der Welt sind. So jedenfalls hat Hermann Simon das mal in seinem Buch „Die Heimlichen Gewinner“ definiert. Gemeint sind Unternehmen wie z. B. der Hersteller von Scan- und Speichersystemen Zeutschel in Hirschau (liegt bei Tübingen), wie die SZ am 9.6.2010 in ihrer Serie „Unsere Marktführer“ schrieb. Mehr dazu weiter unten.
Hidden Champions in Turnschuhen
Was aber sind Hidden Champions in Turnschuhen? Nein, es sind nicht die Mitglieder der jamaikanischen Sprintstaffel, die in stockdunkler Nacht trainieren. Es waren die sogenannten Läufer, die jedes Jahr im Januar bei der Eröffnung der Stuttgarter Antiquariatsmesse von Bibliotheken oder Archiven auf die Jagd nach den schönsten bibliophilen Kostbarkeiten geschickt wurden.
Das sah aus wie früher beim Winterschlussverkauf. Da standen 20 oder 30 schnelle Männer und Frauen am Einlass, warteten bis sich die Absperrung öffnete und rasten dann zum Stand eines Antiquars, um im Namen ihres Auftraggebers (meist staatl. Archive oder Bibliotheken) ihr Gebot abzugeben. Jetzt soll es keine Läufer mehr geben, wenn ich’s recht verstanden habe. Das Los soll entscheiden, wer den Zuschlag bekommt. Schade, ich fand das Rennen sehr kurzweilig.
In diesem Jahr wird auf der 50. Stuttgarter Antiquariatsmesse (28. bis 30. Januar 2011) das teuerste Buch von Heribert Tenschert für 1,45 Millionen Euro angeboten. Es handelt sich um eine „Bible Historiale“ mit 51 prachtvollen Miniaturen und über 60 Initialen in Blattgold. Entstanden ist das Werk um 1470 in Nordfrankreich oder Flandern, so lässt sich dem Katalog entnehmen.
Es geht aber auch günstiger. Sabine Keune bietet an ihrem Stand ein Kinderbuch mit Illustrationen des Wiener Künstlers Berthold Löffler für 2.200 Euro an. Ich habe in Stuttgart vor Jahren auch schon Bücher für 40 oder 50 Euro gekauft und war sehr zufrieden. Kommt halt drauf an, was man will.
Hidden Champions in Archiven und Bibliotheken
„Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“ (Zitat aus brand eins 11/2010, s.u.) Ohne Archivare und Bibliothekare, ohne Archive und Bibliotheken hat eine Gesellschaft kein Gedächtnis und keine Identität. Deswegen sind Archivare und Bibliothekare für mich, entgegen häufig gehörter Vorurteile, keine skurillen Faktoten, sondern Hidden Champions, deren wichtige Arbeit leider nicht in ausreichendem Maße gewürdigt wird.
„Was Archive bedeuten, wird in Deutschland unterschätzt“, lese ich in einem exzellenten Artikel über Archivare im Wirtschaftsmagazin brand eins vom November 2010. Wussten Sie, dass allein die Bundesministerien 100.000 Aktenordner mit 40 Millionen Seiten pro Jahr ins Bundesarchiv in Koblenz überstellen? Archive und Bibliotheken können wahre Schatzkammern sein. Es braucht aber jemanden, der sich in diesen Schatzkammern auskennt, der zuordnet, bewertet, ausmistet. Das, bitte schön, kann nicht der Computer sein, sondern allein der Mensch.
Menschen, wie zum Beispiel die Generaldirektorin der Archive Bayerns, Margit Ksoll-Marcon, deren Archiv jetzt einen riesigen Bestand an historischen Luftbildfotografien digitalisiert und ins Internet gestellt hat. Es handelt sich um rund 3000 Luftaufnahmen, die 1917 und 1918 in Palästina von einer bayrischen Fliegerabteilung gemacht wurden. Die Süddeutsche hat über dieses Projekt am 14.12.2010 ausführlich berichtet.
Ein Hidden Champion aus Hirschau
„Wenn ich um zwei Uhr morgens einen Brief von Voltaire oder eine Stelle in einem atheistischen Pamphlet aus dem vorrevolutionären Frankreich nachsehen will“, schreibt der Historiker Philipp Blom am 22. Januar in der Neuen Zürcher Zeitung, „schlafen rechtschaffene Bibliothekare bereits, aber das geduldige Internet zeigt mir, was ich sehen will. Außerdem hat der Computer auch nichts dagegen, wenn ich beim Lesen der alten Quellentexte eine Tasse Tee trinke. Wenn ich sie umwerfe, ist höchstens mein Keyboard ruiniert.“ Man könnte meinen, Blom hätte die aktuelle Anzeigenkampagne von Zeutschel beim Schreiben vor Augen gehabt. Schauen Sie mal:
Als wär man da
„Die Bibliothek auf dem Schreibtisch“ hat Blom seinen lesenswerten Artikel benannt und lobt darin die Digitalisierung historischer Bestände und seltener Werke. Damit Menschen wie Blom mit den digitalen Originalausgaben gut arbeiten können, müssen die Daten von exzellenter Qualität sein. Am besten geht das mit hochwertigen Scannern, wie sie in Archiven und Bibliotheken eingesetzt werden, und wie sie das Unternehmen Zeutschel in Hirschau seit 1961 herstellt.
Scanner von Zeutschel sind im Buchbereich weltweit das Maß aller Dinge. Aber nicht nur dort. Die Nationalbibliothek Den Haag erfasst mit großformatigen Scansystemen von Zeutschel zur Zeit mehr als 8 Millionen Zeitungsseiten, um diese dann für Forscher und Interessierte online zu stellen. Das feine schwäbische Unternehmen mit seinen 60 Mitarbeitern kann man also guten Gewissens als Hidden Champion bezeichnen. Wobei hidden in diesem Fall nicht für die Welt der Archive, Bibliotheken und Katasterämter gilt. Dort kennt und schätzt man die Geräte von Zeutschel seit Jahrzehnten.
Wissen Sie, was einen Hidden Champion noch auszeichnet? Genau, seine Innovationskraft. Hier ist Zeutschel auch spitze. Zur CeBIT 2011 kommen die schwäbischen Digitalisierungsspezialisten nämlich mit einem neuen Buchscanner auf den Markt, der nicht nur extrem gut aussieht, sondern genauso gut scannt. Leider, leider darf ich Ihnen hier nicht mehr verraten, und ein Bild darf ich Ihnen schon gar nicht zeigen. Glauben Sie mir, dieser neue Scanner öffnet den Anwendern die Tür zu einer ganz neuen Form des Scannens.
„Es gibt kein unmoralisches Buch. Bücher sind gut geschrieben oder schlecht geschrieben. Das ist alles.“ Oscar Wilde (1854-1900)
Jede Menge Begeisterung für Bücher muss man wohl haben, wenn man in einem kleinen Dorf am Canal du Midi im tiefen Süden Frankreichs ein Antiquariat aufmacht. Librairie Ancienne du Somail heißt diese riesige Wunderkiste. Mehr als 50.000 Bücher warten hier in einer umgebauten Scheune auf bibliophile und bibliomane Menschen, die stundenlang mit verdrehtem Hals an den Regalen entlangstreifen, ohne Anzeichen von Ermüdung.
„Ein Buch lesen – für mich ist das das Erforschen eines Universums.“ Marguerite Duras (1914-1996)
Im Gegensatz zu Philipp Blom, der am liebsten online liest, sieht man hier nicht selten selbstvergessene Gestalten, die buchstäblich ihre Nase in so manches Bändchen hinein stecken. Zu recht übrigens, wie ich finde, denn Bücher haben ebenso ein Bouquet wie ein guter Wein, und längst nicht alle Bücher riechen gleich.
„Ich habe mir das Paradies immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.“ Jorge Luis Borges (1899-1986)
Lesen Sie gut, das Leben ist zu kurz für schlechte Bücher!
Ihr
Norbert Kraas
P.S. Zum Abschluss noch zwei Buchtipps für Liebhaber:
1. Candida Höfer: Bibliotheken, erschienen bei Schirmer/Mosel, mit einem Essay von Umberto Eco. ISBN-13: 978-3829601788
2. Rainer Moritz: Die schönsten Buchhandlungen Europas, erschienen bei Gerstenberg. ISBN-13: 978-3836926133