44 Seiten Dresscode
Sage und schreibe 44 Seiten umfasst der Dresscode der schweizerischen UBS-Bank, einem der weltweit führenden Bankhäuser. Bis ins allerkleinste Detail ist dort geregelt, wie die UBS-Angestellten gegenüber ihren Kunden aufzutreten haben. Parfum soll morgens direkt nach der Dusche aufgelegt werden, Frauen dürfen keine blickdichten Strümpfe tragen, Unterwäsche soll nicht knittern, und so weiter und so weiter. All das steht in einem unterhaltsamen Artikel in der SZ. Nicht in dem Artikel steht, was die UBS-Angestellten zum Beratungsgespräch mit afrikanischen Despoten und anderen widerwärtigen Autokraten tragen sollen, wenn diese ihre Millionen oder Milliarden sicher deponiert haben wollen.
12 Seiten Verhaltens- und Ethikkodex
Ganze 12 Seiten inkl. Deckblatt, Rückseite und 2 Seiten Vorwort umfasst übrigens der sog. Verhaltens- und Ethikkodex der UBS, den man sich hier runterladen kann.
Wort für Wort
Die 10 Gebote haben 279 Wörter, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung kommt mit 300 Wörtern aus, und die Import-Verordnung der EU für Karamellbonbons umfasst 25911 wahrscheinlich ziemlich klebrige Wörter, die in zahllosen klebrig-bürokratischen Monstersätzen verpackt sind.
Rumgegurke
Anmerkung: Kai macht mich im Kommentar darauf aufmerksam, dass es die EU-Verordnung Karamellbonbons nie gab. Danke für den Hinweis!
Die Verordnung (EWG) Nr. 1677/88 der Kommission vom 15. Juni 1988 zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Gurken gab es. Die hatte in der deutschen Fassung gute 12.000 Zeichen (knapp 1.800 Wörter) und befasste sich u.a. mit der Krümmung der Gurken. Die Norm wurde dann wieder abgeschafft, was in Brüssel ein gewisser Herr Stoiber als Zeichen für einen gewaltigen Bürokratieabbau wertete, wie man hier lesen kann.
Alles Grauwert oder was?
Zeichen, Wörter, Sätze – für Graphiker und Designer ist das doch eh alles Grauwert, oder? Ja, ja, dieses Vorurteil kennen wir auch. Keine Ahnung, ob Steve Kroeter die Absicht hatte, mit seiner schönen Website zum Thema Designers & Books dieses Vorurteil aus der Welt zu räumen. Die Leseliste, die er uns von 52 zum Teil weltbekannten Designern und Architekten präsentiert, ist jedenfalls sehr anregend.
So hat etwa Sir Norman Foster, der u.a. den Reichstag in Berlin umgebaut hat, Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten (Robert M. Pirsig) auf seiner Leseliste. Peter Eisenmann hat für Berlin das Holocaust Mahnmal entworfen und schätzt unter anderem Bartleby the Scrivener von Herman Melville. Ein Buch, das jedem empfohlen sei, der sich gerade mit etwas herumquält, zu dem er partout keine Lust hat. Bartleby, Schreiber in einer New Yorker Kanzlei Ende des 19. Jahrhunderts, sagt in diesem Fall den wunderschönen Satz „I would prefer not to.“ Für mich die anmutigste Form einer klaren Absage.
Per se ist aus meiner Sicht weder gegen einen Dresscode noch gegen Verhaltens- und Ethikkodices grundsätzlich etwas einzuwenden: Ohne (Mindest-)Standards herrschte in Unternehmen – und nicht nur dort – das blanke Chaos. Schlimm wird es erst, wenn die Ersten – und meist sind es die Obersten – daran gehen, sich selbst kleinere und größere Ausnahmen von den selbst aufgestellten Spielregeln zu genehmigen …
Und diese Ausreisser machen dann unglaublich schnell Schule.
Das Thema mit der EU-Verordnung für Karamellbonbons ist uralt und hat so einen Bart. Und ist falsch. Es handelt sich hierbei um eine ironische Bemerkung von FJ Strauß. Die Verordnung gibt es gar nicht.
Danke für Hinweis, Kai. Habe ihn aufgenommen und den Post ergänzt.