Am 3. Juni 1924 ist der Prager Schriftsteller Franz Kafka gestorben. Anlässlich seines 100. Todesjahres in diesem Jahr gab es in Tübingen bereits ein paar bemerkens- und sehenswerte Veranstaltungen im Rahmen des Kafka-Festivals Kafka lächelt des Tübinger Tanztheaters Treibhaus, wie z. B. die Ausstellung Kafka Prozesse & Verwandlungen des Künstlerbunds Tübingen e.V..
Den meisten von uns ist Franz Kafka wahrscheinlich in der Schulzeit begegnet, und, wir erinnern uns, es war schwere Kost. Und doch gab es schon damals Sätze, an denen man hängen blieb, die einem nicht mehr aus dem Kopf gingen. Als wir dieses Jahr in unsere geliebte Normandie fuhren, hörten wir Der Prozess von Kafka. Es war immer noch schwer auszuhalten, aber tatsächlich können wir heute das Grundgefühl von Kafkas Texten – die gar nicht so seltene Absurdität von menschlichen Begegnungen – viel besser nachempfinden. Ja, es gelingt uns sogar, hin und wieder, die Komik in all dem zu entdecken. Kafka komisch?, wird sich so mancher fragen, der Kafkas Werke vielleicht bisher eher als Zumutung empfunden hat. Ja, Kafkas Texte können komisch sein! Edgar Selge hat es in seinem SZ-Artikel über Kafka vom 10. Mai 2024, finden wir, treffend analysiert: »Komik entsteht durch Genauigkeit, genauer gesagt: durch unangemessene Genauigkeit.«
„Zwischen Angst und Kampf“: Kafka tanzt
„Du hast mich letzthin einmal gefragt, warum ich behaupte, ich hätte Furcht vor Dir.“ (Franz Kafka, Brief an den Vater)
Wer sich in irgendeinerweise für Kafka interessiert (oder auch vielleicht den Zugang zu Kafka noch nicht gefunden hat), der sollte es mit dem Brief an den Vater noch einmal versuchen. Dieser Text ist weitaus zugänglicher und bringt einem Kafka nahe. Der Vater hat übrigens diesen Brief nie erhalten, dafür hat Kafkas Mutter gesorgt.
Zum Ende dieses Kafka-Jahres möchten wir jetzt aber auf ein echtes Highlight hinweisen: »Zwischen Kampf und Angst« heißt das Tanztheater des Tübinger Zentrums für zeitgenössischen und modernen Tanz von Olatz Arabaolaza. An drei Abenden im November und im Dezember (Termine s.u.) wird Franz Kafka in Tübingen zum Tanzen gebracht. Und, so viel sei verraten, hier ist der Choreographin eine ganz außerordentliche, spannungsreiche Inszenierung gelungen!
Von Franz Kafka stammt übrigens der Satz: Manches Buch wirkt wie ein Schlüssel zu fremden Sälen des eigenen Schlosses. Vielleicht kann eine Tanzinszenierung Ähnliches bewirken. Von uns ein ganz großes Kompliment an Olatz Arabaolaza und ihre vier TänzerInnen! Und ein großes Danke, dass wir bei einer Probe dabei sein konnten.
CK | NK
Termine
Sonntag, 3. November 2024, 19:30 Uhr im Leer_raum in der Stiftskirche, Abendkasse: 22 Euro. Tickets Abendkasse.
Samstag, den 7. und Sonntag, den 8. Dezember 2024, jeweils 20:00 Uhr im Tanzlokal Boccanegra, Provenceweg 22 in Tübingen, Abendkasse.
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Am 23. November, 20.00 Uhr gibt der renommierte Kafka-Biograph Reiner Stach eine Lesung zu Kafkas Komik. Infos hier.
Ich lese den heutigen Reklamekasper durchaus mit klopfendem Herzen, weil mir der Name Kafka zumindest schon mal untergekommen ist und dessen eloquentes Werk mir in meiner Schulzeit im Deutschunterricht aller Wahrscheinlichkeit nach zumindest teilweise nahegebracht wurde. Alles, was mir dazu einfallen will ist aber, dass mich in einer Erzählung die vermeintliche Verwandlung des Protagonisten in ein Insekt erschreckt hat … Immerhin verfügt die Gattin über einen Schuber, in welchem sich vier Kafka-Bände tummeln (Das Schloss, Der Prozess, Erzählungen und Amerika), die ich, wie vor Minuten recherchiert, jedoch allesamt bislang nicht gelesen habe. Und nun also tanzt Kafka in einer Choreografie auf der Bühne herum, womit mir die Erinnerung wie ein Souffleur etwas ins Gedächtnis schiebt, das viele Jahre zurückliegt …
Das nahezu Unwahrscheinliche ist dem Ereignis zuzuordnen, als ich irgendwann zu einer Geburtstagsfeier eingeladen und neben allen anderen Gästen aufgefordert war, den Jubilar mit einer kleinen Rede zu ehren. Da hatte ich mich also vorbereitet, jedoch statt einer erwartetet humoristischen Einlage etwas völlig Schräges zu Protokoll gegeben, das für schweigende Ratlosigkeit sorgte und ich zur Kenntnis nahm, das Thema meilenweit verfehlt zu haben. Es war letztlich einer älteren Dame gelungen, mich mit dem Satz „Wären sie so freundlich, mir diesen Text zu überlassen?“ vollends aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ich habe jenen Schriftsatz – wie von einem „glühenden Eisen“ gebrandmarkt – umgehend der Dame überreicht, die diesen ohne ihn weiter zu kommentieren, einsteckte. Gottlob hat es der Geburtstagsfeier nach zwei oder vier Sekunden Stille keinen Abbruch getan und das von mir meilenweit verfehlte Thema (Geburtstag) wurde mit keinem weiteren Wort hinterfragt.
Jahre, viele Jahre später, saßen mehrere Personen am eckigen Tisch zusammen, es wurde erzählt und gelacht, bis ich plötzlich wie aus dem Nichts jene ominöse Geburtstagsrede erwähnte und damit andeuten wollte, dass man im Leben halt nicht immer „auf Zack“ ist und selbst eine Geburtstagsgesellschaft mit einem Schlag in pure Sprachlosigkeit versetzen kann. „Was hast du denn da für einen kapitalen Hirsch zur Strecke gebracht?“, wurde ich neugierig befragt – und weil die Rede noch auf dem Computer als Datei gespeichert war, bot ich an, diese auf Wunsch vorzulesen.
Die Resonanz war überraschend, was sicherlich auch daran gelegen haben mag, dass gerade niemand Geburtstag hatte und der Text somit völlig anders bewertet wurde. Prompt wurde dieser als „kafkaesk“ beurteilt und Jahre später als kleines Heft mit dem Titel „Nachher ist freudloses Vorher“ veröffentlicht.
Weil mir in den vielen Jahren des Schreibens (zu 98% Briefe, die nach und nach ebenfalls in Bücher „verwandelt“ werden) eher die humoristische Seite wichtig war, gibt es aktuell einen weiteren Titel („Tagträume“), der als Krimi geplant war, dann jedoch in eine völlig andere Richtung (= Gedankengänge des Hauptdarstellers) „abgebogen“ ist und nun gleichfalls als „kafkaesk“ eingeordnet wurde. Es bleibt mir somit keine Chance, als der Sache auf den Grund zu gehen und wenigstens eines der im oben erwähnten Schuber versammelten „Kafka Werke“ endlich mal zu lesen, um herauszufinden, inwieweit die beiden Beurteilungen zutreffend sind.
Wer sich die Mühe machen möchte, die Rezensionen zu den beiden Werken zu lesen, kann dies gerne unter folgenden Links tun: https://bon-say.de/project/tagtraeume-gedankengaenge/ und https://bon-say.de/project/nachher-ist-freudloses-vorher/ .