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Der Herbst, ein zweiter Frühling

Japanischer Schlitzahorn im Herbst

Japanischer Schlitzahorn im Herbst

L’automne est un deuxième printemps où chaque feuille devient une fleur.
Der Herbst ist ein zweiter Frühling, wo jedes Blatt zur Blüte wird.
Albert Camus (7. November 1913 – 4. Januar 1960)

Seit in paar Tagen haben wir wieder Normalzeit, nicht Winterzeit, wie viele Zeitungen in den letzten Tagen wieder mal voneinander abgeschrieben haben. Die Tage sind jetzt merklich kürzer, aber die Normalzeit ist, so zeigen es Studien, für Mensch und Tier die gesündere. Ob die EU das jemals wieder ändern wird? Wohl kaum. Sei’s drum: am 21. Dezember 2024 ist Wintersonnenwende, dann werden die Tage schon wieder länger.

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Kafka tanzt: in Tübingen

Verletzlich, abgründig, sensibel, humorvoll. Kafka-Porträt von Danièle Kern, Tübingen

Verletzlich, abgründig, sensibel, humorvoll. Kafka-Porträt von Danièle Kern, Tübingen

Am 3. Juni 1924 ist der Prager Schriftsteller Franz Kafka gestorben. Anlässlich seines 100. Todesjahres in diesem Jahr gab es in Tübingen bereits ein paar bemerkens- und sehenswerte Veranstaltungen im Rahmen des Kafka-Festivals Kafka lächelt des Tübinger Tanztheaters Treibhaus, wie z. B. die Ausstellung Kafka Prozesse & Verwandlungen des Künstlerbunds Tübingen e.V..

Den meisten von uns ist Franz Kafka wahrscheinlich in der Schulzeit begegnet, und, wir erinnern uns, es war schwere Kost. Und doch gab es schon damals Sätze, an denen man hängen blieb, die einem nicht mehr aus dem Kopf gingen. Als wir dieses Jahr in unsere geliebte Normandie fuhren, hörten wir Der Prozess von Kafka. Es war immer noch schwer auszuhalten, aber tatsächlich können wir heute das Grundgefühl von Kafkas Texten – die gar nicht so seltene Absurdität von menschlichen Begegnungen – viel besser nachempfinden. Ja, es gelingt uns sogar, hin und wieder, die Komik in all dem zu entdecken. Kafka komisch?, wird sich so mancher fragen, der Kafkas Werke vielleicht bisher eher als Zumutung empfunden hat. Ja, Kafkas Texte können komisch sein! Edgar Selge hat es in seinem SZ-Artikel über Kafka vom 10. Mai 2024, finden wir, treffend analysiert: »Komik entsteht durch Genauigkeit, genauer gesagt: durch unangemessene Genauigkeit.«

„Zwischen Angst und Kampf“: Kafka tanzt

„Du hast mich letzthin einmal gefragt, warum ich behaupte, ich hätte Furcht vor Dir.“ (Franz Kafka, Brief an den Vater)

Wer sich in irgendeinerweise für Kafka interessiert (oder auch vielleicht den Zugang zu Kafka noch nicht gefunden hat), der sollte es mit dem Brief an den Vater noch einmal versuchen. Dieser Text ist weitaus zugänglicher und bringt einem Kafka nahe. Der Vater hat übrigens diesen Brief nie erhalten, dafür hat Kafkas Mutter gesorgt.

Zum Ende dieses Kafka-Jahres möchten wir jetzt aber auf ein echtes Highlight hinweisen: »Zwischen Kampf und Angst« heißt das Tanztheater des Tübinger Zentrums für zeitgenössischen und modernen Tanz von Olatz Arabaolaza. An drei Abenden im November und im Dezember (Termine s.u.) wird Franz Kafka in Tübingen zum Tanzen gebracht. Und, so viel sei verraten, hier ist der Choreographin eine ganz außerordentliche, spannungsreiche Inszenierung gelungen!

Von Franz Kafka stammt übrigens der Satz: Manches Buch wirkt wie ein Schlüssel zu fremden Sälen des eigenen Schlosses. Vielleicht kann eine Tanzinszenierung Ähnliches bewirken. Von uns ein ganz großes Kompliment an Olatz Arabaolaza und ihre vier TänzerInnen! Und ein großes Danke, dass wir bei einer Probe dabei sein konnten.

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Termine

Sonntag, 3. November 2024, 19:30 Uhr im Leer_raum in der Stiftskirche, Abendkasse: 22 Euro. Tickets Abendkasse.

Samstag, den 7. und Sonntag, den 8. Dezember 2024, jeweils 20:00 Uhr im Tanzlokal Boccanegra, Provenceweg 22 in Tübingen, Abendkasse.
Tickets online für den 7. Dezember buchen
Tickets online für den 8. Dezember buchen

Am 23. November, 20.00 Uhr gibt der renommierte Kafka-Biograph Reiner Stach eine Lesung zu Kafkas Komik. Infos hier.

Buchinformation

Franz Kafka
Brief an den Vater
Text und Kommentar
Suhrkamp Basisbibliothek
Taschenbuch
ISBN: 978-3-518-18891-0

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Jägermond

Die Hortensien (Hydrangea) halten sich ungewöhnlich lang in diesem Jahr

Die Hortensien (Hydrangea) halten sich ungewöhnlich lang in diesem Jahr

Immer noch
strahlen die Hortensien
Jägermond

Kranō

Jägermond

Bis unsere Hortensien das letzte Grün in Farbentiegeln zeigen, wird’s wohl noch ein paar Tage dauern. Kein Wunder, bei diesen milden Temperaturen. Der Klimawandel lässt grüßen. Den Begriff „Jägermond“ habe ich vor zwei, drei Tagen zum ersten Mal in Zusammenhang mit dem aktuellen Vollmond (17.10.2024) gehört. Der nämlich ist so groß wie ganze Jahr noch nicht, weil der Erdtrabant im Moment nur knapp 360.000 Kilometer von der Erde entfernt ist: ein Katzensprung! Der Jägermond ist also in diesem Jahr ein Supermond. Jägermond heißt der Vollmond im Oktober deswegen, weil die Felder zu dieser Zeit traditionell komplett abgeerntet waren. Die Jäger hatten dann dank des hellen Jägermondes sehr gute Sicht bei der Jagd.

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Balance halten in turbulenten Zeiten

Wie hält man die Balance in turbulenten Zeiten? „Balancierer“ – Skulptur von Roland Martin (* 29. Juli 1927)

Wie hält man die Balance in turbulenten Zeiten? „Balancierer“ – Skulptur von Roland Martin (* 29. Juli 1927)

Ermüdet, überreiz, besorgt?

„So viel Ermüdung, Überreizung, Zukunftssorge! So viel Wehmut beim Abschied von einstigen Gewissheiten, so viel Sehnsucht nach der Welt von gestern.“

Keine Sorge, wir stellen heute kein weiteres Krisenbuch vor, dessen Inhalt sich allein darin erschöpft, den aktuellen Zustand der Welt schwärzer als schwarz zu malen. Solche Bücher und Artikel gibt es reichlich. Ehrlich, manchmal haben wir schon nach der ersten Seite der Tageszeitung genug: Kriege, Extremwetter, Konjunkturflauten, die Wahlen im Osten und obendrauf noch Markus Söder, der Freiheit für den Leberkäswecken fordert.

Vom Chaos in den Turm geflüchtet

Wer möchte sich angesichts einer solchen Lage nicht komplett von der Welt zurückziehen? Dem Schriftsteller und Journalisten Jürgen Wiebicke geht es da nicht anders. »Emotionale Gleichgewichtsstörung. Kleine Philosophie für verrückte Zeiten« heißt sein Buch, und der Turm des französischen Philosophen Michel de Montaigne (1533 – 1592) wäre wahrscheinlich Wiebickes Lieblingsrückzugsort. Montaigne lebte nämlich ebenfalls in ziemlich anstrengenden Zeiten. Religions- und Bürgerkriege brachten im 16. Jahrhundert gleich acht Mal Tod und Leid über die Franzosen.

Bereits also der kluge Montaigne, so erzählt uns Wiebicke, zog sich aus dem Chaos in seinen Turm zurück, um in Ruhe gründlich nachzudenken: über die Welt und vor allem über sich selbst.

»Was weiß ich denn?«, war eine seiner Leitformeln, mit deren Hilfe er die Tugend der Skepsis kultivieren wollte, um sich selbst vor allzu steilen Überzeugungen zu bewahren.

Dabei ging es Montaigne aber nicht um eine dauerhafte Weltflucht, vielmehr wollte er den Rückzug temporär halten. Montaigne wurde klar, dass er als Individuum versuchen muss, Einfluss zu nehmen, »dass das gesellschaftliche Chaos nicht noch wuchs.« An diesem ersten Philosophen im Buch zeigt uns Wiebicke, wie wir mit der heutigen, uns oft überfordenden Situation umgehen könnten: Nachdenken, sich selbst beobachten, der eigenen Meinung gegenüber skeptisch sein, uns nicht alleine auf die Probleme fixieren und vor allem, die schönen Dinge, mögen sie auch noch so klein sein, nicht aus dem Auge verlieren.

Denn die Zeiten der »wattierten Sicherheit« und des ständig wachsenden Wohlstands, die wir Mitglieder der Generation der Boomer bisher durchlebt haben, sieht der Autor völlig zurecht jetzt enden. Es wird in jeder Beziehung unruhiger!

„Umso wichtiger, die Freuden des Lebens nicht aus dem Blick zu verlieren, um seelisch stabil zu bleiben oder es erst wieder werden zu können. Ohne ein gewisses Maß an Lebenskunst wird es schwierig werden, sich durch das, was kommt, hindurchzunavigieren.“

Der kluge, heiter-skeptische Autor, der Das philosophische Radio auf WDR 5 moderiert (sehr emfehlenswert!), zeigt uns, wie wir mit Hilfe von Denkerinnen und Denkern wie Hannah Arendt, Montaigne, Hegel, Sartre, Michel Serres oder Karl Jaspers unsere heutige Situation analysieren können. Und er legt dar, dass kritische Selbstbeobachtung und eigenes Denken tatsächlich helfen können, uns mit den aktuellen Herausforderungen auseinanderzusetzen.

An Eulen sich ein Beispiel nehmen

„Von der Eule der Minerva wissen wir, dass sie ihren Flug erst in der Dämmerung beginnt.“

Hegels Eulen-Gleichnis ist für Wiebicke ein gutes Bild, um klarzumachen, dass in unseren verworrenen Zeiten niemand ensthaft behaupten kann, er wisse jetzt genau, was Morgen Sache ist; oder mit welchen politischen Maßnahmen die Probleme von Übermogen gelöst werden können.

Auch die Waldohreule beginnt ihren Flug erst in der Dämmerung

Auch die Waldohreule beginnt ihren Flug erst in der Dämmerung

Denn die Eule, die in der Antike für menschliche Weisheit steht, sieht eben erst am Ende des Tages klar, aber dafür mit grandiosem Rundumblick. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen. Also: akzeptieren, dass vor uns eine ziemlich dichte Nebelsuppe liegt, und den Propheten, Populisten und Zukunftsforschern misstrauen.

„Denn manchmal muss man auch warten können, bevor sich Gewissheit einstellt, anstatt sich in einfache Scheingewissheiten hineinzuflüchen.“

Fliegen wir also der Eule hinterher und analysieren, wo wir stehen, und was bisher war. Wiebicke sieht da im Rückblick zwei große historische Bögen an ein Ende kommen. Der eine Bogen beginnt mit dem Ende der Sowjetunion, von dem viele dachten, es wäre das Ende der Geschichte. Ab da, so glaubten wohl die meisten von uns, ginge es nur noch bergauf, immer schön nach dem Drehbuch des neoliberalen, entfesselten Kapitalismus, der auch noch unsere privatesten Bereiche erfasst. Wiebicke meint,

„dass der Kapitalismus in seiner entfesselten Form auf längere Sicht auf eine Rottweiler-Gesellschaft hinausläuft, in der Gemeinschaft immer weiter zerstört wird. Deshalb schwindet auch die Zustimmung zu unserer Gesellschaftsordnung stetig und wächst die autoritäre Versuchung.“

Letzteres haben wir gerade erst bei den Wahlen in den drei östlichen Bundesländern erlebt, wo eine Partei mit ihrem Wettern gegen die Eliten und gegen unsere Demokratie nach oben gespült wurde.

Wir hier, Natur da

Der zweite große historische Bogen startet für Wiebicke im 17. Jahrhundert mit dem Philosophen und Mathematiker René Descartes. Mit ihm beginnt das große Zerlegen, Vermessen und Quantifizieren und damit die verhängnisvolle Trennung von Mensch und Natur. Ein problematisches Denken, dass den Menschen nicht mehr als Teil der Natur sieht, sondern als Beherrscher der Natur.

Und jetzt, wo schon ziemlich viel Umwelt von uns zerstört daliegt, das Artensterben ungebremst weitergeht, und das Klima immer mehr aus den Fugen gerät, jetzt maßt sich der Mensch auch noch die Rettung von Welt und Klima mittels Technik an. Geo-Engineering nennt sich das, und wie es ausgeht, weiß keiner, betont Wiebicke:

„Je größer die Krise, desto größer dürfte auch die Neigung werden, darauf abermals mit großem Denken zu reagieren. Oder ginge es doch eine Nummer kleiner?“

Heiter bleiben, nicht verrückt machen lassen

Aber wie umgehen mit diesen ganzen Krisen und Herausforderungen, die einen ja auch persönlich betreffen und nicht selten psychisch belasten? Wiebicke führt Sartre ins Feld und verweist auf die Kraft des Subjekts gegenüber der Gesellschaft, die uns ständig mit Rollenerwartungen und Gruppenzugehörigkeit konfrontiert. Und dann: »neu auf den Zusammenhang zwischen Freiheit und persönlicher Verantwortung blicken«.

Und vor allem: heiter bleiben, die eigene Meinung hinterfragen, auf Distanz zum Selbst gehen, öfter mal von oben auf uns herabblicken, die eigene Fehlbarkeit in Betracht ziehen, zuhören.

„Unsere Streitkultur wäre auf einen Streich ziviler, wenn mehr Menschen ein Bewusstsein dafür entwickelten, wie sehr ihr eigener, beschränkter Horizont angewiesen ist auf die Perspektive von anderen.“

Wiebicke plädiert auch für einen bewussteren Umgang mit der Angst vor Veränderungen, die wir alle mehr oder weniger stark spüren. Problematisch wird diese Angst, wenn sie zwanghaft wird und umschlägt in eine merkwürdige Sehnsucht nach einem Gestern, das plötzlich in den schönsten Farben leuchtet. Wohin das führt, und was passiert, wenn bestimmte Gruppierungen diese zwanghafte Angst für ihre Zwecke bewirtschaften und instrumentalisieren, lässt sich gerade vor allem im Osten Deutschlands (aber nicht nur dort) beobachten.

Lesen, denken, anfangen

Man könnte noch viele Stellen aus diesem schmalen, klugen und sehr gut zu lesenden Buch anführen, mit denen Jürgen Wiebicke schlüssig darlegt, dass trotz aller Krisen noch nicht aller Tage Abend ist. Nach der Lektüre wird klar, dass wir als Menschen, die wunderbare Freiheit haben, selbst zu denken und selbst zu entscheiden, wo wir uns in diesen »verrückten Zeiten« für ein besseres Miteinander engagieren. Es ist, so der Autor, nicht die Zeit für das ganz große utopische Rad, sondern für »Utopien im Pocket-Format«. Denn:

„Wenn Angst und Mutlosigkeit regieren, sind es die kleinen Schritte, die zunächst eingeübt werden müssen, um allmählich wieder nach vorn zu kommen.“

»Emotionale Gleichgewichtsstörung« ist ein wirklich anregendes Buch, dem viele Leserinnen und Leser zu wünschen sind. Ein Mutmachbuch im allerbesten Sinn, das uns helfen kann, die Balance wiederzufinden und zu halten, und zwar auch dann, wenn die Planken unter unseren Füßen mal wieder heftig ins Wackeln kommen.

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Buchinformation

Jürgen Wiebicke
Emotionale Gleichgewichtsstörung. Kleine Philosophie für verrückte Zeiten
Hardcover, 160 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
ISBN 978-3-462-00540-0

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Jürgen Wiebicke im Interview über sein Buch

Das philosophische Radio im WDR 5

 

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Brückentag

Knapp 2000 Jahre steht der Pont du Gard und wäre noch funtionsfähig!

Knapp 2000 Jahre steht der Pont du Gard und wäre noch funktionsfähig!

Brückentag

Der Pont du Gard im Départment Gard in Südfrankreich verbindet seit rund 2000 Jahren die beiden Ufer des Gardon (Gard), von dem das Départment seinen Namen hat. Es ist ein beeindruckendes Bauwerk, egal zu welcher Jahres- und Tageszeit man davor steht. Erbaut wurde dieses Meisterwerk römischer Baukunst zwischen 50 und 70 nach Christus in der Nähe der Gemeinde Remoulins, rund 15 km südlich von der wunderschönen Stadt Uzès entfernt. Drei Jahre arbeiteten auch viele Sklaven und Kriegsgefangene an diesem anscheinend meistfotografierten Monument Frankreichs.

Die Gesamtspannweite beträgt 275 m, die Höhe 49 m. Erbaut wurde der Pont du Gard aus hellem, gelblichen Sandstein aus einem Steinbruch ganz in der Nähe. Auf der obersten der drei Ebenen befindet sich ein Teil der rund 50 km langen Wasserleitung, die von den Quellen der Eure bis nach Nîmes reicht. Die Wasserinne auf dem Pont du Gard ist 180 cm hoch und 120 cm breit, das Gefälle beträgt dort minimale 0,34 ‰. Vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert diente der Pont du Gard auch als Straßenbrücke. 1747 kam dann eine neue Straßenbrücke dazu, die heute jedoch für den Autoverkehr gesperrt ist.

Der Pont de Bornègre ist eine kleine Aquäduktbrücke in der Nähe des Pont du Gard

Der Pont de Bornègre ist eine kleine Aquäduktbrücke in der Nähe des Pont du Gard

Der Pont de Bornègre ist eine kleine Aquäduktbrücke ganz in der Nähe des Pont du Gard und gehörte ebenfalls zur Wasserleitung, die frisches Wasser von der Mündung der Eure 50 km weit nach Nîmes transportiert. Diese kleine, schöne Segmentbogenbrücke wird heute von Spaziergängern genutzt. Ein Musterbeispiel in Sachen Nachhaltigkeit.

Brückendrama

Wir wollen an diesem Brückentag nicht das deutsche Brückendrama vergessen. 46 Prozent der rund 40.000 Brückenbauwerke in Deutschland sind laut ADAC in einem schlechten Zustand. 15 Prozent aller Brücken wird sogar ein kritischer Zustand bescheinigt. Die Lebensdauer von Betonbrücken bemisst das Bundesamt für Straßenwesen mit 80 bis 100 Jahren. „Hoffentlich ist es Beton!“ lautete mal ein Werbespruch zu Beginn der 90er Jahre. Nun denn, höchste Zeit für einen schönen Brückensong!

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Haiku im Herbst

Ohne Blätter kann ein Baum lange ohne Wasser auskommen, deswegen fallen sie im Herbst

Ohne Blätter kann ein Baum lange ohne Wasser auskommen, deswegen fallen sie im Herbst

Haiku-Dichterinnen und -Dichter haben schon immer eine besondere Beziehung zum Herbst gehabt. Dies gilt für die japanischen Klassiker wie Bashō, Buson oder Issa, aber auch für aktuelle deutsche Haiku-Dichter wie Georges Hartmann, den wir hier im Blog schon vorgestellt haben. Heute bringen wir ein Herbst-Haiku von Georges, das gut in unsere Zeit der Unsicherheit und der Instabilität passt:

Vom Baum fällt das Laub.
Könnt ich doch meine Sorgen
so leicht abschütteln

Georges Hartmann

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Der Sommer geht, die Kalender kommen

Im Gartenjahr beginnt der Herbst: Höchste Pflanzzeit!

Im Gartenjahr beginnt der Herbst: Höchste Pflanzzeit!

Der endlos lange Sommer verabschiedet sich, und es wird herbstlich. Eine Wohltat nach der teils anstrengenden Hitze! Aber: in drei Monaten, am 21. Dezember, ist Wintersonnenwende, da werden die Tage schon wieder länger.

Besondere Themenkalender

„Im Garten durch das Jahr“ | 2 x 24 Fotos mit Haiku und Gedichten | © www.schoenepostkarten.de

„Im Garten durch das Jahr“ | 2 x 24 Fotos mit Haiku und Gedichten | © www.schoenepostkarten.de

Aber vorher ist noch die Adventszeit, und da haben wir dieses Jahr ein paar zeitlos schöne, besondere Themenkalender gestaltet – an denen man sich das ganze Jahr hindurch erfreuen kann. Im Format DIN A3 (297 x 420 mm, BxH) gibt es 2 x 24 Fotos zu sehen, dazu 24 Gedichte, Zitate oder Aphorismen zu entdecken. Alles liebevoll gestaltet, hochwertig in Farbe gedruckt und in Handarbeit produziert. Neben unseren Schönen Postkarten zeigen wir diese besonderen, zeitlosen (Advents-)Kalender zu den Themen „Im Garten durch das Jahr“, „Im Wald durch das Jahr“,„Und immer wieder das Meer“, „Vergänglichkeit“ sowie „Tübingen im Schnee“ am kommenden Wochenende beim Herbstfest in der Staudengärtnerei von Erika Jantzen.

Herbstfest in der Gärtnerei: Samstag, 21. und Sonntag, 22. September 2024

Nicht nur für eingefleischte Tübinger Gärtnerinnen und Gärtner sind die Gartentage in der Staudengärtnerei Erika Jantzen in der Tübinger Sindelfinger Straße seit Jahren fester Bestandteil im Gartenkalender. Astern, Gräser, Stauden, Kräuter, Zwiebeln (jetzt ist die Zeit!), Musik, Gartencafé: es ist einfach viel geboten in dieser feinen Gärtnerei, die mitten im Schwabenland englisches Gardening Flair ausstrahlt. Geöffnet ist an beiden Tagen von 10 bis 17 Uhr.

Längst weisen übrigens auch die Krankenkassen darauf hin, dass Gärtnern eine Wohltat für Körper und Seele ist, auch wenn der Rücken ab und an mal ein wenig spannt. Also, liebe GärtnerInnen: Hände in den Dreck, es ist Pflanzzeit!

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Zeitlose Kalender, zeitlos schön

„Tübingen im Schnee“ | 2 x 24 Fotos mit literarischen Zitaten und Aphorismen | © www.schoenepostkarten.de

„Tübingen im Schnee“ | 2 x 24 Fotos mit literarischen Zitaten und Aphorismen | © www.schoenepostkarten.de

„Und immer wieder das Meer“ 2 x 24 Fotos mit Haiku, Gedichten, Zitaten | © www.schoenepostkarten.de

„Und immer wieder das Meer“ 2 x 24 Fotos mit Haiku, Gedichten, Zitaten © www.schoenepostkarten.de

„Vergänglichkeit“ | 2 x 24 Fotos mit Haiku und Gedichten | © www.schoenepostkarten.de

„Vergänglichkeit“ | 2 x 24 Fotos mit Haiku und Gedichten | © www.schoenepostkarten.de

„Im Wald durch das Jahr“ | 2 x 24 Fotos mit Haiku und Gedichten | © www.schoenepostkarten.de

„Im Wald durch das Jahr“ | 2 x 24 Fotos mit Haiku und Gedichten | © www.schoenepostkarten.de

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»Man weiß, dieser Sommer kommt nicht zurück« (Peter Kurzeck)

»Man weiß, dieser Sommer kommt nicht zurück.« Peter Kurzeck

»Man weiß, dieser Sommer kommt nicht zurück.« Peter Kurzeck

Eine Sommerentdeckung

Wie lange bewahrt ihr Zeitungsausschnitte auf? Eine Woche, einen Monat, ein Jahr oder auch mal 17 Jahre? Mir ist nämlich neulich so ein alter FAZ-Ausschnitt beim Aufräumen in die Hände gefallen, und das Aufmacherfoto hat mich neugierig gemacht. Zu sehen ist der Schrifsteller Peter Kurzeck, von dem ich noch nichts gelesen oder gehört hatte. Das sollte sich schnell ändern!

Der FAZ-Rezensent Andreas Platthaus bespricht in seinem Artikel ein Hörbuch des am 25. November 2013 in Frankfurt verstorbenen Autors Peter Kurzeck. In diesem Hörbuch, das von Kurzeck im Tonstudio live ohne (!) Manuskriptvorlage eingesprochen wurde, erzählt dieser ebenso begnadete wie akribische Autor seine Kindheit und Jugend im hessischen Dorf Staufenberg im Kreis Gießen. Geboren wurde Kurzeck am 10. Juni 1943 in Tauchau im damaligen Sudetenland. 1946 wurde die Mutter mit den beiden Kindern vertrieben, der Vater war zu diesem Zeitpunkt noch in Kriegsgefangenschaft.

»Ein Sommer, der bleibt«

So heißt das Hörbuch, das 2007 im mehrfach auszgezeichneten Supposé-Verlag erschienen ist, und es zieht einen von der ersten Minute an in den Bann. Man lauscht wie hypnotisiert. Kurzeck erzählt, wie gesagt, frei ohne Textvorlage:

„Das Dorf meiner Kindheit ist Staufenberg im Kreis Gießen. Als wir dort hinkamen, war das ein sehr kleiner Ort, den man nur über Feldwege und über eine Schotterstraße, eine eigentlich mürrische Schotterstraße, erreichen konnte. Es war einerseits winzig klein, aber es war auch sehr schön, es war ein Ort, in dem man nicht nur jeden Menschen und jede Kuh und jede Ziege und die Hunde sowieso und die Katzen, wo man alles kannte, man wusste, welche Hühner jeder hat.“

Wir hören also nicht einfach ein Buch, das der Autor liest, und das es exakt so, mit diesem Text in der Buchhandlung gibt. Weit gefehlt. Es ist eigentlich, wie wenn der Erzähler direkt neben uns am Küchentisch sitzen würde. Und wie wir Kurzeck zuhören, wie er seine Erinnerungsgegengstände genau, aber nie angestrengt umkreist, entsteht vor unseren Augen die ganze, längst versunkene Nachkriegswelt in dem kleinen hessischen Dorf Staufenberg in der Nähe der Lahn. Dabei wird kaum ein Detail  ausgelassen. Und nichts, überhaupts nichts wirkt an Kurzecks Erzählstrom, der immerhin 290 Minuten dauert, gekünstelt oder inszeniert. Es ist schlicht faszinierend. Platthaus wagt in der FAZ sogar ganz vorsichtig den Vergleich mit Proust und Joyce.

„Man gewöhnt sich bei einer Flucht, einer Umsiedlung, an, allem genau nachzugehen, weil es sein kann, dass man es nie wieder sieht.“

Peter Kurzeck in der FAZ vom 15.12.2007

Peter Kurzeck in der FAZ vom 15.12.2007

Hörbuchwunder

Kurzeck spricht diesen Satz ziemlich am Anfang dieses Hörbuch-Wunders und Andreas Platthaus sieht darin die gesamte „Poetik“ Peter Kurzecks: „das Werk wird kenntlich als Reaktion auf den Verlust der Heimat, den er als Dreijähriger erlitten hat. So eignete sich der kleine Junge dann das nördlich von Gießen gelegene Dorf Staufenberg an: als eine ideelle Heimat, denn an eine gegenständliche wollte sich der Knabe nie wieder klammern.“

Wenn man sich in diesem melancholisch grundierten Erzählstrom von Peter Kurzeck eine Weile treiben lässt, möchte man am liebsten nicht mehr auftauchen. Und es wird einem als Hörerin oder Hörer schmerzlich klar, wie viele Dinge aus Peter Kurzecks Welt schon längst und für immer untergangen sind. Und man beginnt zu erkennen, wie hektisch, ja wie beiläufig und banal unser digitalisiertes, auf maximale Effizienz getrimmtes Leben mittlerweile ist.

Welch ein Segen, dass es einen Autor wie Peter Kurzeck zu entdecken, zu hören, zu lesen, zu würdigen gibt!

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Informationen zu Peter Kurzeck

Die Hörbücher von Peter Kurzeck erscheinen im Supposé Verlag, Wyk, Föhr

Die Bücher von Peter Kurzeck, darunter der autobiografisch geprägte große Romanzyklus „Das alte Jahrhundert“, erscheinen im Schöffling-Verlag.

Einer von vielen Nachrufen auf Peter Kurzeck in der Zeit

Ein hörenswertes Gespräch im BR-Radio mit Peter Kurzeck

Peter Kurzeck im HR2-Radio über sein Schreiben

Peter Kurzeck ist auch auf Spotify zu hören

Peter Kurzeck über seine Holzpferde. Leseprobe:

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Ich fürchte mich so sehr vor der Menschen Wort

Pastorale mit Blick auf den Hagellocher Kirchturm

Pastorale mit Blick auf den Hagellocher Kirchturm. Foto: Norbert Kraas

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.

Rainer Maria Rilke (* 4. Dezember 1875 in Prag, Österreich-Ungarn; † 29. Dezember 1926 im Sanatorium Valmont bei Montreux, Schweiz)

Das Gedicht finden wir erstmals abgedruckt in dem Band »Mir zur Feier«, der 1897/98 erschien. Wir zitieren hier aus der schönen Insel-Ausgabe »Die Gedichte« (Leinen, 1136 Seiten, Insel Verlag, ISBN 978-3-458-14324-6).

Wer könnte Rilkes Gedanken in diesem schönen Gedicht nicht nachvollziehen? Dieses permamente Dauerplappern auf allen Kanälen. Und überhaupt: Die Gedichte von Rilke gehören in jeden Haushalt.

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Nachsommerhitze

Und wer sagt uns, welche Spinne sich hier in der Hitze ausruht?

Und wer sagt uns, welche Spinne sich hier in der Hitze ausruht?

Nachsommerhitze –
matt hängt auch die Spinne
am seidenen Faden

Wenn ich ehrlich bin, geht’s mir wie der Spinne an unserer Hauswand. Dieser Rekordsommer macht mürbe und müde. Dazu – harter Schnitt jetzt – dieses aufgeheizte politische Klima kurz vor drei Landtagswahlen im Osten, wo sich die demokratischen Parteien irgendwie ratlos gegenüber der braunen Bedrohung unserer Demokratie zeigen. Wer sich darüber näher informieren möchte, dem empfehlen wir die sehenswerte Dokumentation »Im Osten ganz rechts – Von den Skinheads zur AfD«, abrufbar in der ZDF-Mediathek.

Bisweilen drängt sich einem der Eindruck auf, dass unsere Demokratie auch bald am seidenen Faden hängen könnte.

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